Der Tempel der vier Winde - 8
Was Ihr vor Euch seht, ist Marlin, ein ergebenes, kleines Schoßhündchen von mir. Ich bin die Zecke auf seinem Rücken, die er mit in dieses Haus geschleppt hat. Er ist ein Wirt, dessen ich mich für … bestimmte Zwecke bediene.«
Nadine schlug nach dem Mann, der sie festhielt, und zwang ihn dadurch, fester zuzudrücken, damit sie ihm nicht entwischte. Kahlan schürzte die Lippen und bat sie flehentlich, still zu sein. Wenn sie sich weiter gegen ihn wehrte, würde sie noch stranguliert werden. Das Mädchen griff nach Kahlans Bitte wie nach einer Rettungsleine, beruhigte sich und konnte wenigstens wieder atmen.
»Euer Wirt wird bald ein toter Wirt sein«, erwiderte Kahlan. »Er ist unverzichtbar. Unglücklicherweise – für Euch – ist der Schaden, Marlin sei Dank, bereits angerichtet.«
Mit einem verstohlenen Seitenblick überzeugte sich Kahlan, daß sie sich der mit dem Gesicht auf dem Boden liegenden Cara ganz langsam immer weiter näherte.
»Wieso? Was hat er getan?«
»Nun, Marlin hat Euch und Richard in meinem Namen die Flügel gestutzt. Natürlich steht euch beiden noch einiges durch mich bevor, aber vollbracht hat er es. Ich hatte das Privileg, Zeuge dieser prachtvollen Tat zu sein.«
»Was habt Ihr getan? Was tut Ihr hier in Aydindril?«
Jagang lachte stillvergnügt in sich hinein. »Nun, ich habe mich amüsiert. Gestern habe ich mir sogar ein Ja’La-Spiel angesehen. Ihr wart dort. Richard Rahl war dort. Ich habe Euch beide gesehen. Nun, allerdings hat es mir nicht gefallen, daß er den Broc gegen einen leichteren ausgetauscht hat. Er hat es zu einem Spiel für Schwächlinge gemacht. Es muß mit einem schweren Ball gespielt werden und von den kräftigsten, aggressivsten und brutalsten Spielern – von denen, die am meisten nach dem Sieg gieren. Wißt Ihr eigentlich, was Ja’La bedeutet, Kleines?«
Kahlan schüttelte den Kopf und stellte dabei eine Liste auf, welche Möglichkeiten ihr blieben und was sie am dringendsten tun mußte. Ganz oben auf der Liste stand, daß sie diesen Mann mit Hilfe ihrer Kraft aufzuhalten hatte, bevor er aus der Grube entkam, aber zuerst mußte sie soviel wie möglich in Erfahrung bringen, wenn sie seine Pläne vereiteln wollten. Einmal hatte sie bereits versagt. Ein zweites Mal konnte sie sich das nicht erlauben.
»Das Wort stammt aus meiner Muttersprache. Der volle, eigentliche Name lautet Ja’La dh Jin – Das Spiel des Lebens. Es gefällt mir nicht, wie Richard es verfälscht und verdorben hat.«
Kahlan hatte Cara fast erreicht. »Ihr habt Euch also in die Seele dieses Mannes eingeschlichen, damit Ihr herkommen und Kindern bei einem Spiel zusehen konntet? Ich dachte, der große und mächtige Kaiser Jagang hätte Wichtigeres zu tun.«
»Oh, ich habe Wichtigeres getan. Viel Wichtigeres.« Er grinste. »Seht doch, Ihr dachtet, ich sei tot. Daher wollte ich Euch nur zur Kenntnis bringen, daß es Euch nicht gelungen ist, mich im Palast der Propheten umzubringen. Ich war nicht einmal dort. Um genau zu sein, habe ich mich zu dieser Zeit mit den Reizen einer jungen Dame vergnügt. Einer meiner frisch gefangenen Sklavinnen.«
»Na schön, Ihr seid nicht tot. Ihr hättet uns einen Brief schicken können, dann hättet Ihr Euch nicht all die Mühe machen müssen. Ihr seid aus einem anderen Grund hier. Außerdem seid Ihr mit einer Schwester der Finsternis hierhergekommen.«
»Schwester Amelia hatte eine Besorgung zu erledigen, aber ich fürchte,sie ist keine Schwester der Finsternis mehr. Sie hat ihren Eid an den Hüter der Unterwelt verraten, damit ich Richard Rahl vernichten konnte.«
Kahlan stieß Cara mit dem Fuß an. »Warum habt Ihr uns das nicht alles vorher schon erzählt, als wir Marlin gefangengenommen haben? Warum habt Ihr bis jetzt gewartet?«
»Nun, ich mußte warten, bis Amelia mit dem zurückkam, was ich sie holen geschickt hatte. Es ist nicht meine Art, Risiken einzugehen, müßt Ihr wissen. Das ist vorbei.«
»Und was hat sie für Euch in Aydindril gestohlen?«
Jagang lachte voller Spott. »Oh, nicht in Aydindril, Kleines.«
Kahlan ging neben Cara in die Hocke. »Warum sollte sie nicht mehr auf den Hüter eingeschworen sein? Nicht, daß ich unglücklich darüber wäre, aber warum sollte sie ihren Eid verraten haben?«
»Weil sie dank mir in einer Zwickmühle saß. Ich ließ ihr die Wahl, entweder zu ihrem Herrn geschickt zu werden, wo sie bis in alle Ewigkeit wegen ihres vorherigen Versagens bei Eurem
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