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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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öffnete, denn sie erwartete Salomo, von dem
sie die ganze Nacht geträumt hatte. Doch es war nur ein Grünspecht mit rotem Kopf,
der pfeilgeschwind davonflog.
    Enttäuscht
trat sie barfuß in den Morgentau und freute sich an dem klaren Morgen und dem
Gesang der Vögel. Konnte sie sich Salomos Anträgen noch länger verweigern? Wenn
sie den König von Israel heiratete, würde Saba nur noch ein Anhängsel Israels
sein. War das nicht Verrat am Land ihrer Vorfahren? War Salomos Liebe ein
solches Opfer wert?
    Als sie
Frauen sah, die Wasser schöpften, ging sie ins Haus zurück und hob einen Krug
auf die Schulter. In eine schlichte Tunika gekleidet, gesellte sie sich zu
ihnen. Zunächst waren sie abweisend, doch dann gewann Balkis sie mit ihrem
Lächeln, und sie bezogen sie in ihr Gespräch ein. Da sie allein und ohne
Gefolge kam, mußte sie eine Dienerin sein.
    Die Königin
hörte sich ihre Klagen bezüglich der harten Feldarbeit, der Heftigkeit des
Chamsin und der Voraussagen eines bitterkalten Winters an.
    «Was ist in Jerusalem los?»
fragte sie. «Empfängt man dort nicht eine Fremdländerin mit allen Ehren bei
Hofe?»
    «Die Königin
von Saba… Man sagt, daß sie Salomos Herz erobert hat.»
    «Denken sie
an Heirat?»
    «Das wäre ein
Unglück!» bekräftigte eine Bäuerin. «Nagsara ist Salomos Gemahlin, Nagsara, die
Ägypterin, und keine andere! Das Volk hat sie angenommen. Wenn der König weise
ist, so gibt er diesem augenblicklichen Verlangen nicht nach.»
    «Sie soll
sehr schön sein», sagte ihre Gefährtin. «Und unser König ist so verführerisch…»
    «Laßt sie
doch von den Freuden der Liebe kosten, Hauptsache, Salomo achtet seine Ehe!»
    «Ist eine
Vermählung mit der Herrscherin von Saba nicht gut für den Frieden?» fragte
Balkis.
    «Ein
Hirngespinst!» meinte die ungestümste der Bäuerinnen. «Dank der
Pharaonentochter leben Israel und Ägypten in gutem Einvernehmen. Saba bringt
uns nur Unglück. Salomo sollte sich lieber um den Baumeister aus Tyros
kümmern.»
    «Und warum?»
    «Dieser Hiram
mit seinen Heerscharen von Arbeitern ist der wahre Herr des Landes. Er kann
alles schaffen, alles bauen. Er gibt sich wie ein Fürst. Und die Dämonen lassen
ihm freie Hand.»
    «Was sollte
Salomo tun?»
    «Ihn loswerden!
Wenn nicht, wird er seinetwegen den Thron verlieren. In unserem Land ist kein
Platz für zwei Könige.»
    Mit gefülltem
Krug wanderte Balkis in den nahe gelegenen Obsthain und setzte sich unter einen
Feigenbaum. Eine süße Frucht im Mund, kühler Schatten, laue Luft… Israel glich
einem Paradies. Ein Paradies, dessen Königin sie nicht sein würde.

 
    Kapitel 50
     
     
     
    Von
Osten bliesen stürmische Winde und
drückten den übelkeitserregenden Rauch des Brandopfers nach Jerusalem hinein.
Weihrauch und verbranntes Fleisch vermischten sich zu einem abscheulichen
Geruch. In Israel war es plötzlich so kalt geworden, daß zahllose Priester
erkrankten, da sie barfuß auf den Steinen des Vorhofes gehen mußten.
Erkältungen und Durchfall hielten sie von den Gottesdiensten fern, so daß deren
Ausgestaltung zu wünschen übrigließ.
    Salomo hatte
sich in seinem Palast eingeschlossen. Seit einer Woche gewährte er keine
Audienzen mehr. Nachdem ihm die Königin von Saba mitgeteilt hatte, daß sie ihn
auf keinen Fall heiraten würde, hüllte er sich in Schweigen und weigerte sich
sogar, Zadok und Elihap zu empfangen.
    Die letzten
Priesterwohnungen waren fertiggestellt. Hiram hatte befohlen, die Gerüste zu
entfernen und die Fassaden zu verputzen. Jerusalems heiliger Bezirk auf dem vom
Baumeister gezähmten Felsen erstrahlte in beinahe vollendeter Pracht.
    Wie hätte
sich Salomo darüber gefreut, er, der zum ersten Mal im Leben gescheitert war,
und das noch dazu so ungemein schmerzlich.
    Von
Ezjon-Geber am Ufer des Jordan wanderte Hiram von Baustelle zu Baustelle. Da
die großen Arbeiten in Jerusalem beendet waren, gab er der Handwerkerschaft
neue Aufgaben, denn die hing von seinen Befehlen ab. Statt Anarchie herrschte
Ordnung in seiner Bruderschaft. An die Spitze jedes Handwerks hatte er einen
Verantwortlichen gestellt, der dem Meisterrat Rechenschaft schuldete. In
einigen Jahren würde Israel ein neues Ägypten sein. Schreiner und Steinmetze
erneuerten die Dörfer, schufen neue Tempel und verschönerten die Städte.
    Anup begleitete den
Oberbaumeister überall, während sich Kaleb sorgfältig um die Höhle kümmerte, in
der Hiram noch immer beharrlich lebte, denn andere Wohnungen lehnte er ab.

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