Der Tempel zu Jerusalem
schon machte der Duft stinkendem, schwärzlichem
Qualm Platz. Hausfrauen verbrannten Abfälle und Exkremente; andere kochten
Fleisch oder Fisch. Jerusalems Gerüche mit ihrer Bestialität hatten den
flüchtigen Traum zerstört.
Jählings biß
sich Nagsara ins Handgelenk, biß bis fast aufs Blut. Dann wurde ihr bewußt, daß
sie sich wie ein leichtfertiges, junges Mädchen benahm, was ihres Ranges nicht
würdig war. Daß eine Pharaonentochter in diesem jämmerlichen Zustand vor den
König Israels trat, nein, das ging nicht an. Über dem Gewirr von Häusern, dem
Mangel an Platz durfte sie nicht vergessen, daß sie sich in der Hauptstadt
eines mächtigen Reiches befand, das ein Herrscher mit stetig wachsendem Ruf
regierte. In dieser Gegend verkörperte Nagsara Ägypten. Sie wurde Erbin und war
für den Adel seines Landes verantwortlich.
Der Zug mußte
am Fuß einer Kesselschmiede anhalten. Die Arbeiter hatten ihr den Weg mit ihren
Werkzeugen versperrt. Sie schlugen mit Hämmern auf Metall ein und formten
Kessel. Widerwillig gaben sie auf Befehl der Soldaten den Weg frei. Ein
Wasserträger näherte sich dem Wagen.
«Trink, meine
Prinzessin! Sieh doch, es ist ganz frisch!»
Nagsara
trank. Als Dank schenkte sie dem Händler einen Silberbecher.
Der Wasserträger
schwenkte seine prächtige Trophäe und pries die Großmut der Ägypterin, die den
kleinen Leuten Wohlstand bescherte. In diesem Viertel von Jerusalem hatte
Nagsara die Herzen gewonnen. Trotz der Verzweiflung, die an ihr nagte,
entschloß sie sich, nie wieder das kleine, heimwehkranke Mädchen zu sein.
Bald darauf
erschien Nagsara vor Salomo, dem man ihre Schönheit und Klugheit in höchsten
Tönen gepriesen hatte.
Sie
enttäuschte ihn nicht.
Nach zwei Stunden geduldiger
und aufmerksamer Arbeit war es den Dienern des Hohenpriesters Zadok gelungen,
ihren Herrn in die rituellen Gewänder zu kleiden. Zadoks Bart war nicht
gestutzt, wie es der Brauch erforderte, auf dem Kopf saß ein Turban aus lila Bändern,
auf dem eine goldene Tiara mit der Inschrift ‹Ruhm und Ehre sei Jahwe› prangte.
Über seiner Leinentunika trug er ein lila Chorhemd mit Granaten, zwischen denen
goldene Schellen hingen, deren Gebimmel die bösen Geister vertreiben sollte.
Darüber kam ein einzigartiges Stück, die Levitenschärpe aus gold- und
karmesindurchwirktem Leinen, die mittels vergoldeter Spangen mit Onyx-Schließen
auf der Schulter des Hohenpriesters gehalten wurde. An der Schärpe hing das
berühmte Pektoral aus zwölf Edelsteinen. Topas, Smaragd, Saphir, Jaspis,
Amethyst, Achat, Karfunkel und Chalzedon symbolisierten die zwölf Stämme
Israels. Am Pektoral wiederum hing ein Beutel mit zwei Würfeln. Wenn der
Hohepriester die warf, zeigten sie ihm die Zahlen, aus denen Gott die Welt erschaffen
hatte.
In dieser
Gewandung erweckte der schmächtige Zadok Bewunderung, die an Furcht grenzte.
Hinter zwei Priestern führte man ihn in den Thronsaal, in dem Salomo auf ihn
wartete.
«Warum diese
Bitte um Audienz, Zadok? Mußt du nicht die Vorbereitungen zu meiner Vermählung
überwachen?»
Hochfahrend
und schneidend gab der Hohepriester zurück:
«Majestät,
diese Verbindung mißfällt Jahwe. Warum hast du dir keine Gemahlin unter deinen
Nebenfrauen gesucht? Diese Ägypterin teilt unseren Glauben nicht. Sie wird eine
schlechte Königin und bringt Israel Unglück. Laß ab von dieser Heirat und
verärgere dein Volk nicht. Es ist Gott, der durch mich zu dir spricht.»
Salomos Augen
funkelten. Ihn packte die Wut, und er hätte diesen unverschämten Geistlichen am
liebsten geohrfeigt, der ihm vollkommene Treue schuldete. Doch ein König der
Hebräer mußte sich in allen Lebenslagen beherrschen.
«Falls ich
mich darüber hinwegsetze, Zadok, was geschieht dann?»
«Ich werde
mich weigern, diese gottlose Ehe zu segnen, Majestät. Ich werde vor das Volk
treten und meine rituellen Gewänder vor den Augen der Gläubigen ablegen. Ich
werde ihnen erklären, daß der Hohepriester Jahwes dadurch Unglück auf das Haupt
des Königs und der Ägypterin herabruft.»
Zadok stand
mit zusammengekniffenen Lippen da und triumphierte. Salomo dachte, ich habe
einen Dummkopf ernannt, der seine Anweisungen buchstabengetreu ausführt. Ihm
war klar, daß der Hohepriester echte Macht ausübte. Zadok freute sich schon
darauf, daß er eine herausragende Persönlichkeit und fast ebenbürtig mit dem
König sein würde, der ihn von nun an bei jeder Entscheidung würde befragen
müssen.
Zadok
wunderte sich
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