Der Tempel zu Jerusalem
Flanke eines Hanges außerhalb der Mauern und hatte sich als
trocken erwiesen. Der Hinkefuß hatte Decken, Werkzeuge und Essen angeschleppt.
Hiram hatte ihn an Stechbeitel und Schleifstein angelernt, aber Kalebs Hand
ermüdete rasch. Seine Begabungen lagen eher im Kochen und Schlafen.
Als Hiram aus
der Höhle trat, blendete ihn kurz das Licht.
Banajas, der
Salomos Anweisungen befolgte und die Höhlen der Umgebung abgesucht hatte, war
zufrieden, daß er Erfolg gehabt hatte. Er haßte diesen Fremdling zwar, doch er
schuldete dem König vollkommene Treue.
Man führte
den Oberbaumeister ohne große Bewachung in den Palast. Salomo empfing ihn
begeistert.
«Warum hast
du dich versteckt?»
«Ich habe
meine neue Behausung bewohnbar gemacht. Niemand kann mir jetzt noch vorwerfen,
daß ich in Jerusalem ein Haus beanspruche. Kein Priester kann dich anklagen,
daß du mir Obdach gewährst. Ist das nicht weise?»
Salomo ertrug
es nur zähneknirschend, daß eine Kaste, auch wenn sie unantastbar war, seine
Macht schmälerte. Doch Hiram hatte recht. Wenn er außerhalb der Hauptstadt
wohnte, blieb er ein Fremdling und konnte Zadok nicht verdrießen.
«Diese Höhle ist deiner nicht
würdig.»
«Es macht mir
nichts aus, im Herzen des Felsens zu wohnen.»
«Warum hast
du mich nicht benachrichtigt?»
«Ich mache
meine Arbeit, also erwarte von mir keine amtlichen Berichte über mein Tun. Mein
Wort gilt. Ich stelle jedoch eine letzte Bedingung: Mit dem Tempel soll auch
ein Palast gebaut werden. Für mich mag die Höhle genügen, aber König Davids
Palast ist eines Salomo nicht würdig.»
Hiram wollte
sich mit seinen Worten keineswegs einschmeicheln, sondern erläuterte jetzt das
Projekt näher. Große Herrscher mußten ihren irdischen Wohnsitz mit göttlichen
vergleichen können, oder? Sollte der Palast nicht Teil des Tempels sein und den
König daran gemahnen, seinem Amt als erster Priester des Gottes nachzukommen?
«Weihst du mich in deine
Pläne ein?» fragte Salomo.
«Nein»,
erwiderte Hiram. «Sie müssen geheim bleiben. Die Kunst des Bauzeichnens ist
eine Wissenschaft, die Baumeistern vorbehalten ist.»
«David hätte solch eine
Unverschämtheit nicht hingenommen.»
«Du bist Salomo, ich bin ein
Fremdling. Wir sind weder aus derselben Rasse, noch haben wir dieselbe Religion.
Aber wir arbeiten zusammen an demselben Werk. Ich verpflichte mich, zu bauen
und dazu meine Wissenschaft zu nutzen. Du verpflichtest dich, mir die Mittel
zur Vollendung des Baus zu verschaffen.»
«Abgemacht.
Wie lange, schätzt du, werden die Arbeiten dauern?»
«Mindestens
sieben Jahre.»
«Das hier ist
mein eigener Plan, Meister Hiram, und den kennst nur du.»
Die beiden
Männer schlossen sich einen ganzen Tag lang im Arbeitszimmer des Königs ein,
und nicht einmal Elihap, der Schreiber, war zugelassen.
Salomo hatte beschlossen, das
ganze israelitische Gemeinwesen auf den Bau des Tempels auszurichten. Durch
Erlässe, die von den Provinzgouverneuren ausgeführt werden sollten, stellten
sich Viehzüchter und Bauern in den Dienst der Arbeiter, die auf die Tempelbaustelle
geschickt wurden. Sie sollten bevorzugt Nahrung erhalten. Die Arbeiter von
Ezjon-Geber sollten den Hafen unverweilt verlassen und die erste
Handlangermannschaft bilden. Zehntausend Hebräer würden in den Libanon gehen,
wo sie Holzladungen in Empfang nehmen würden, die von den Holzfällern des
Königs von Tyros geschlagen worden waren. Am Ende eines Arbeitsmonats, in dem
sie den gefährlichen und mühseligen Transport bewerkstelligten, gestand ihnen
Salomo zwei Ruhemonate zu.
Der Herrscher
hatte die Zahl der unerläßlichen Arbeitsstärke festgelegt: achtzigtausend
Steinhauer, sechzigtausend Träger, dreißigtausend Handwerker wurden der
Baustelle auf Dauer zugeteilt. Er verlangte, daß sich jeder Israelit im Verlauf
eines Jahres irgendwie an dem großen Werk beteiligte. Der Tempel sollte eine
Schöpfung des ganzen Volkes sein.
Diese
radikale wirtschaftliche Veränderung bedeutete, daß neue Steuern erhoben werden
mußten und daß Arbeit im Frondienst nationale Pflicht war. Daß es zu einem
Volksaufstand kommen konnte, diese Gefahr mußte man eingehen. Der König machte
sich anheischig, derlei zu meistern.
Hiram äußerte
seine Forderungen. Stoffverkäufer und Schneider sollten Tausende von
Kittelschürzen aus grober Wolle fertigen, die sich die Handlanger um die Lenden
binden konnten. Für die Werkmeister sollten Gerber Schürzen aus rotgefärbtem
Leder machen; die
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