Der Tempel zu Jerusalem
Gesellen und Lehrbuben bekamen weiße. Die Maurer sollten mit
Matten, Sieben, Pfählen, Holzhämmern, Hacken, Hebeln, Ziegelformen, Beilen,
Dechseln, Sägen und Sticheln ausgestattet werden. Die kupfernen Stechbeitel
würden aus den Lagern von Ezjon-Geber kommen. Hiram selbst wählte die
Steinbrecher aus, die mit der Spitzhacke Basalt- und Kalksteinblöcke
heraushauen sollten. Er würde die Steinmetze unterweisen, die sich bislang
damit begnügt hatten, Mühlsteine oder Pressen zu meißeln. Die besten unter
ihnen, die geschickt mit dem Polierwerkzeug umgehen konnten, hatten die Häuser
der Reichen errichtet. Doch keiner hatte die Geheimnisse der Kunst des
Bauzeichnens ergründet. Holzschnitzer, die auf eigene Rechnung in jedem Dorf
arbeiteten, würden von Hiram zu Schreinern umgeschult werden, die lange Balken
legen und komplizierte Gerüste bauen konnten. Blieb nur noch übrig, die Maurer
auszubilden, die nicht nur die Wände aufmauern, sondern auch Meßschnüre,
Wasserwaage und Lot handhaben sollten, damit aus der Zeichnung ein Bau wurde.
Etliche phönizische Fachleute, die sich an der Küste niedergelassen hatten und
von Salomo angefordert worden waren, würden ihnen dabei helfen.
Der König und
der Oberbaumeister waren sich bewußt, daß sie vor einer heldenhaften Aufgabe
standen. Der Tempel würde das ganze Land auf den Kopf stellen und zweifellos
auch die angrenzenden Landstriche. Er würde die Vergangenheit auslöschen und
die Zukunft an Gottes Ruhm und Ehre festmachen.
«Die
Baustellen unterstehen nur dir, Meister Hiram. Was die Frondienste angeht, so
sollen sie von dem besten hebräischen Baumeister organisiert werden.»
Hiram
billigte diesen Entschluß. Es war nicht seine Aufgabe, die Handlanger
einzustellen und zu überwachen.
«Wer ist das?»
«Der, der
meine Pferdeställe erbaut hat, Jerobeam.»
Kapitel 26
Seit
der Befestigung Jerusalems war die
Landschaft nicht mehr so stark verändert worden. Bauern, die kleine Gärten
gehabt hatten, waren vertrieben worden. Sie lobten und priesen Salomo, weil er
ihnen in einer nahe gelegenen Gegend Gehöfte und Äcker zugewiesen hatte. Hiram
hatte mit den Schreinern einen hohen Zaun errichtet, der Unbefugten die
Tempelbaustelle verbarg. Ein einziges Tor, das Tag und Nacht bewacht wurde, gab
Zugang. Jeder Arbeiter erhielt das Erkennungswort von Hiram höchstpersönlich.
Innerhalb des
Zauns hatte der Oberbaumeister mehrere Ziegelsteingebäude errichten lassen:
Werkzeuglager, Schlafsäle, Speiseräume und Lagerhäuser für Nahrung und
Kleidung. Das wichtigste allerdings war die Zeichenwerkstatt, wo Hiram fast
seine ganze Zeit verbrachte. Eine Kiste aus Kiefernholz enthielt die
Schiefertafeln, auf denen er die Entwürfe machte, die andere Papyrusrollen mit
den gezeichneten, endgültigen Plänen. Der Baumeister heftete die Blätter
eigenhändig zusammen, alsdann rollte er sie um einen Zylinder und bekam damit
einen Papyrus von ungefähr hundert Ellen Länge. Wenn er den auf dem Fußboden
ausrollte, sah er die Bauzeichnung für das Meisterwerk. Da Hiram von Anfang an
mitarbeitete, kam er selten in die Höhle zurück, wo er sich so wohl fühlte.
Sein Hund Anup geriet dann vor Freude außer sich und jaulte, wenn er ihn wieder
verließ. Kaleb, der Hinkefuß, wurde darüber immer unwirscher. Gewiß, er genoß
Unterkunft und Verpflegung, hatte endlich ein Dach über dem Kopf, und das war
nicht gering zu achten. Aber er trauerte noch immer dem schönen Haus in
Jerusalem und dessen Annehmlichkeiten nach. Jetzt war er gezwungen, den Hund zu
füttern und über sein Wohlbefinden zu wachen, und das gefiel ihm gar nicht.
Doch er fürchtete Hirams Zorn, sollte er ihn vernachlässigen.
Der Oberbaumeister arbeitete
ganze Nächte durch, entwarf hundert Bauformen, von denen er bis auf zwei alle
wieder verwarf. Er brachte die unerschöpfliche Energie auf, die man für ein
solches Werk brauchte. Hiram und der zukünftige Tempel waren eins, er arbeitete
an seiner Geburt wie an der eines lebendigen Wesens. Ein seltsames Fieber hatte
ihn ergriffen, das alle Müdigkeit hinwegbrannte.
Als Schüler
der Meister von Karnak wußte er um die Schwierigkeiten seiner Aufgabe: Er
sollte ein Heiligtum schaffen, das Jahwe geweiht war, jedoch in Bauweise und
Symbolik in der Nachfolge der ägyptischen Tempel stand. Übertragen, ohne Verrat
zu begehen, weitergeben, ohne preiszugeben, den Himmel auf Erden darzustellen…
Sein Ehrgeiz war riesengroß, die Aufgabe erdrückend.
Wieder
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