Der Tempel zu Jerusalem
Willen, der auch den jungen Ägypter so wißbegierig gemacht hatte.
Diese beiden Männer waren Brüder, selbst wenn das menschenunmöglich war.
Hiram war so
wütend, daß er am liebsten Zepter und Becher weit fortgeschleudert hätte.
Die
spätnachmittägliche Sonne funkelte so hell auf ihnen, daß Kaleb aufmerkte. Der
Hinkefuß kam näher, zögerte aber, sie anzufassen. Hirams Blick belehrte ihn
eines Besseren.
Der
Oberbaumeister betrachtete das Gold von Saba so starr und so eingehend, als
könnte es ihm seine Zukunft entschlüsseln. Seine dunkelblauen Augen funkelten
unruhig.
Als die letzten
Sonnenstrahlen die Blätter des Feigenbaums golden färbten, stand Hiram auf.
Niemand sollte sagen können, daß ein ägyptischer Baumeister vor Beendigung der
Arbeit geflohen war.
Er würde den
Tempel bauen, auch wenn es Salomos war.
Saturn thronte im Zenit; er
würde das Bauwerk fest und dauerhaft machen. Salomo kam vom Palast, Hiram vom
Land, und beide erreichten den Fuß des Felsens zur gleichen Zeit.
Der
Oberbaumeister übergab dem König Zepter und Becher. Im Mondschein sah das rote
Gold wie Silber aus.
Mit einem
Bohrer, dessen Spitze sich schnell drehte, bohrte Hiram einen Hohlraum in den
Felsen, in den er die kostbaren Gegenstände legte. Dann verschloß er ihn fest
und benutzte dazu einen Mörtel, der sich gut anpaßte. Mit Ausnahme von Salomo
und dem Oberbaumeister wußte niemand, daß Sabas Sonne der Kern von Jahwes
Tempel war. Abgesehen von Hiram ahnte niemand, daß Ägypten die Mutter des
größten Heiligtums in Israel war und daß der verborgene Gott der Pyramiden in
Jahwe auferstand.
Salomo konnte
seine Bewegung kaum verbergen. Den Zauberbüchern zufolge, die er zu Rate
gezogen hatte, stimmte der von Hiram gewählte Platz mit der Pforte zu einer
geheimen Welt überein. Hinter ihr begann ein Weg, der zu einem wassergefüllten
Schlund führte, der die Mitte der Erde ausfüllte. Dort vereinigten sich die
Geister der Toten, damit das Jenseits im Herzen des Hier anwesend war.
Der König war
sich völlig sicher, daß das von Nagsara befragte Orakel nicht gelogen hatte.
Wer anders als der vom Unsichtbaren auserkorene Baumeister hätte den Zufall im
Griff haben können? Wer anders hätte genau im richtigen Augenblick so handeln
können?
Salomo drehte
den von Nathan geschenkten Rubinring an seinem Finger. Er richtete ein stummes
Gebet an die Geister des Feuers, der Luft, des Wassers und der Erde, damit sie
an der Erschaffung des Gebäudes genauso Teil hatten wie an der jedes
Lebewesens. Er bat sie, Hüter auf der Schwelle des Heiligtums zu sein, es auf
Dauer mit ihrer Gegenwart zu umgeben.
Hiram
betrachtete den Gipfel des Felsens, der sein Schicksal werden sollte.
Salomo genoß
die Freuden einer Geburt. Im vierten Jahr seiner Herrschaft würde man mit dem
Bau des Tempels beginnen.
Kapitel 25
Salomos Zorn war so furchtbar,
daß Elihap um sein Leben fürchtete, obwohl er sich des Vertrauens seines
Gebieters sicher war. Noch nie hatte sich Israels König zu einem solchen
Tobsuchtsanfall hinreißen lassen, denn das verdammten die Weisen. Unaufhörlich
rief der Herrscher Jahwe als Rachegott an und versprach, die an Hirams
Verschwinden Schuldigen zu bestrafen.
«Es gibt
keine Schuldigen», protestierte der Schreiber schüchtern, als sich der König
anscheinend beruhigte.
«Hiram ist unauffindbar, und
niemand wäre daran schuld? Elihap, willst du dich über mich lustig machen?»
«Auf deinen
Befehl hin haben Banajas und deine Elitesoldaten nach Hiram gesucht. Sie haben
Häuser, Höhlen, Werkstätten und Speicher durchkämmt, aber nirgendwo eine Spur
von ihm.»
«Und das
Haus, in dem er gewohnt hat?»
«Leer.»
«Was sagen die Nachbarn aus?»
Elihap
zögerte.
«Sprich»,
forderte Salomo.
«Sie haben
Priester hineingehen sehen, die Gegenstände mitgenommen haben.»
Salomos eisiger Ton war
genauso besorgniserregend.
«Der
Hohepriester soll sich unverzüglich einfinden.»
Elihap
beeilte sich, Zadok zu benachrichtigen.
Salomo
durchmaß das Arbeitszimmer mit den schmalen Fenstern. Was ging in seiner
Hauptstadt vor? Jetzt wartete er bereits drei Tage auf Hiram. Seit der
heimlichen Zeremonie, mit der Fundamentlegung des Tempels hatte der Baumeister
kein Lebenszeichen mehr gegeben. Ein übereilter Aufbruch war unvorstellbar.
Hiram hatte durch diesen rituellen Akt sein Wort gegeben, daß er das von Salomo
gewollte Unternehmen bis zum Ende durchführen würde. Der König kannte
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