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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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ging
eine arbeitsreiche Nacht zu Ende. Dieses Mal war Hiram so erschöpft, daß ihm
die Hand nicht mehr gehorchte. Er legte seine Schreibbinse beiseite, säuberte
die Näpfchen mit schwarzer und roter Tusche, rollte einen Papyrus zusammen und
stapelte die Schiefertafeln, nachdem er sie numeriert hatte.
    Als er aus der
Zeichenwerkstatt trat, betrachtete er die Baustelle. Die verschiedenen Gebäude
waren fast vollendet. Die Arbeiter schliefen. Hiram hatte es verstanden, ihnen
Begeisterung einzuflößen, ihnen die Gewißheit zu vermitteln, daß sie an einem
ungewöhnlichen Abenteuer teilnahmen. An diesem geschlossenen, geschützten Ort
herrschte eine geheime Harmonie, die von den rauhen Gesellen, die
Zusammenarbeit erst noch lernen mußten, von Stunde zu Stunde mehr geschätzt
wurde.
    Der
Oberbaumeister kam an dem Wachposten vorbei, der gerade abgelöst wurde. Er
strebte zum Fuß des Felsens und hob wieder einmal den Blick zum Gipfel. Die
Arbeit mußte dort oben beginnen, auch wenn das Unterfangen scheinbar nicht zu
verwirklichen war.
    Pferdegalopp
störte die leichte Luft der Morgendämmerung.
    Jerobeam
hielt zwei Ellen vor dem Baumeister und sprang zu Boden. Der rote Riese war
wütend.
    «Der König
hat mir die Verantwortung für die Frondienste übertragen», verkündete er. «Ich
bin ein treuer Diener, ich gehorche, aber von dir nehme ich keine Befehle entgegen.»
    «Das geht
nicht», sagte Hiram. «Die Fronarbeit unterliegt keiner willkürlichen
Entscheidung, sondern gehört zum Arbeitsplan. Das dürfte Salomo auch so gesagt
haben. Du bist mir jeden Tag Rechenschaft schuldig. Ich will wissen, wieviel
Männer genau eingestellt sind und was sie tun. Ein Verstoß gegen diese
Vorschrift, und du bist abgesetzt.»
    Jerobeam war
beeindruckt von Hirams strengen Worten und begriff, daß der Oberbaumeister eine
Amtsstellung innehatte, die sich nur schwer erschüttern ließ. Einfache
Drohungen richten da nichts aus.
    «Du bist ein
herrschsüchtiger Mensch, Meister Hiram.»
    «Das
erfordert mein Amt. Willst du mir dienen, mir wirklich dienen, wie es der König
fordert?»
    «Dessen
kannst du gewiß sein», bekräftigte Jerobeam, doch sein haßerfüllter Blick
strafte seine Worte Lügen.
     
     
    Irgendwann fragte sich Salomo,
ob sein Oberbaumeister nicht etwa wahnsinnig geworden wäre. Das Projekt auf dem
Felsengipfel, das er ihm darlegte, war wider alle Vernunft.
    «Bist du dir
sicher, daß es nicht eine Katastrophe wird?»
    «Meine
Berechnungen können nicht trügen. Es ist zu schaffen, daß wir die
Mello-Schlucht auffüllen und die Lücke schließen, die die Stadt Davids von dem
Platz trennt, auf dem der Tempel erbaut werden soll. Auf diese Weise bekommen
wir einen sanften Hang, auf dem wir das Material leichter heranschaffen,
außerdem verbindet er die Unterstadt mit dem neuen Stadtkern.»
    Der König
prüfte den Plan, den der Baumeister in den Sand zeichnete. Die Vision war so
einfach wie überwältigend. Sie drängte sich geradezu auf; sie war
selbstverständlich. Wie Salomo geahnt hatte, würde der Tempel allein durch sein
Dasein ein neues Jerusalem schaffen, ein himmlisches Jerusalem, wie es den
Gerechten in der Schrift versprochen worden war.
    Hiram dachte an die gewaltige
Arbeit, die der Erschaffung der Pyramiden von Gizeh vorausgegangen war: Man
hatte viele Morgen höhergelegenes Land auswählen, riesige Steinbrüche anlegen,
die Ebene abgleichen und ausgleichen, Zufahrtsrampen und Hebelvorrichtungen
schaffen müssen, deren Geheimnis man nicht preisgegeben hatte, dann eine
strenge Organisation der Baustelle organisieren müssen, auf der eine große Zahl
von Handlangern und eine kleine Zahl von Landvermessern und Steinhauern
arbeiteten. Einen Felsvorsprung durch Aufschüttung mit einem bewohnten Abhang
zu verbinden, das erschien im Vergleich zu den einstigen Wundertaten fast als
eine leichte Aufgabe.
    «Setzt du
dabei nicht das Leben deiner Arbeiter aufs Spiel?»
    Der
Oberbaumeister bedachte Salomo mit einem gereizten Blick.
    «Willst du mir eine solche
Niedertracht unterstellen? Falls es sich so verhielte, würde ich auf der Stelle
mein Amt abgeben. Die Sicherheit der Männer, die unter meiner Aufsicht
arbeiten, hat immer Vorrang. Sollte man mir Unfälle zur Last legen können,
darfst du mich unverzüglich entlassen.»
    Es tat Salomo
leid, daß er Hiram gekränkt hatte.
    In der
darauffolgenden Stunde versammelte der Oberbaumeister die Hunderte von
Arbeitern, die bereits auf der Baustelle eingetroffen waren. Die

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