Der Tempel
die übrigen Männer im Bootsschuppen ausschalten.«
***
Exakt zweihundert Meter über dem Grund der Mine drückte Dr. Fritz Weber Knöpfe auf einer Computerkonsole. In einer Vakuumkammer daneben arbeitete ein Laserschneidegerät sorgfältig an dem Thyrium-Götzenbild.
Hinter Weber stand Ehrhardt. Hinter dem wiederum befand sich, genau in der Mitte der Kontrollkabine, ein imposanter, knapp zwei Meter großer Apparat aus Silber und Glas.
Darin waren in einem durchsichtigen Glaszylinder zwei atomare Sprengköpfe – jeder annähernd einen Meter hoch und von annähernd konischer Form. Sie waren zu einer » Stundenglasformation« arrangiert – der obere Sprengkopf zeigte nach unten, der untere nach oben –, sodass der gesamte Apparat wie eine gewaltige Eieruhr aussah. Zwischen den beiden Sprengköpfen, an der schmälsten Stelle des Stundenglases, saß ein skelettartiges Gerüst aus Titan, in das die subkritische Masse an Thyrium platziert werden würde.
Das war die Supernova.
Zwei runde, bleigefasste, unglaublich widerstandsfähige und gegen Radioaktivität gesicherte Behälter, beide von der Größe einer gewöhnlichen Mülltonne, standen neben dem Apparat. Sie dienten zur Aufbewahrung und zum Transport der Sprengköpfe.
Nun erforderte, wie Weber wusste, ein konventioneller Atomsprengkopf etwa vier Pfund Plutonium. Die Supernova andererseits würde, seinen Berechnungen zufolge, wesentlich weniger an Thyrium benötigen, lediglich ein Viertelpfund.
Deshalb konnte er jetzt mit Hilfe zweier Cray-YMP-Supercomputer sowie eines Hochleistungslaserstrahls, der auf einen Tausendstelmillimeter genau schneiden konnte, einen kleinen, zylindrischen Teil des Thyriums aus dem Götzenbild herausholen.
Die Atomwissenschaft war seit den Großtaten von J. Robert Oppenheimer in Los Alamos in den vierziger Jahren einen weiten Weg gegangen.
Mit Hilfe von Multi-Tasking-Computern wie den beiden Crays ließen sich komplexe mathematische Gleichungen, die Größe, Masse und Kräfteverhältnisse des radioaktiven Kerns berücksichtigten, innerhalb von Minuten lösen. Die Reinigung des Schutzgases, die Protonena nr eicherung sowie die Alphawellenverstärkung konnten gleichzeitig erledigt werden.
Die gesamten Berechnungen – den entscheidenden Teil, der Oppenheimer und seine Gruppe von hoch qualifizierten Wissenschaftlern unter Zuhilfenahme primitivster Computer ganze sechs Jahre gekostet hatte – schafften die YMPs innerhalb von Sekunden.
In Wahrheit war der schwerste Teil für Weber die eigentliche Konstruktion des Apparats selbst gewesen. Selbst mit den Supercomputern hatte der Bau mehr als zwei Jahre gedauert.
Während der Laser in Übereinstimmung mit einem zuvor eingestellten Gewicht-/Volumenverhältnis, basierend auf dem Atomgewicht des Thyriums, durch den Stein schnitt, gab Weber auf den Supercomputern daneben einige komplexe mathematische Formeln ein.
Augenblicke später piepte der Laserschneider laut und kehrte in den Stand-by-Modus zurück. Es war geschafft.
Weber kam herüber und schaltete den Laser ab. Daraufhin holte er mittels eines Greifarms – menschliche Arme wären zu ungenau für eine derartige Aufgabe gewesen – den kleinen zylindrischen Teil Thyrium aus der Basis des Götzenbildes heraus.
Dieser Thyriumteil wurde daraufhin in eine Vakuumkammer gelegt und mit Uranatomen sowie Alphateilchen bombardiert, wodurch sich das Thyrium in eine subkritische Masse der mächtigsten Substanz verwandelte, die je auf Erden existiert hatte.
Augenblicke später trugen die Greifarme die gesamte Kammer zu der Supernova hinüber, wo sie sie mit äußerster Präzision in den Tita nr ahmen legten, der zwischen den beiden atomaren Sprengköpfen hing.
Die Supernova war vollständig.
Die subkritische Masse Thyrium saß jetzt horizontal in ihrem luftleeren Thron zwischen den beiden Sprengköpfen. Es schien, als würde sie die Macht Gottes in sich bergen.
Und das traf zu.
Überall in der Kontrollkabine zeigten Bildschirme gewaltige Datenmengen an. Auf einem Monitor scrollte unter der Überschrift ›DUAL AXIS RADIOGRAPHIC HYDRODYNAMIC FACILITY‹ eine endlose Reihe von Einsen und Zweien nach unten.
Weber ignorierte sie und tippte stattdessen etwas auf der Computertastatur, die an der Supernova angebracht war. Eine Aufforderung erschien auf dem Bildschirm: BITTE GEBEN SIE DEN SCHÄRFUNGSCODE EIN.
Weber tat es.
SUPERNOVA SCHARF.
Weber tippte: ZÜNDZEITSCHALTUHR INITIALISIEREN. – ZÜNDZEITSCHALTUHR INITIALISIERT. BITTE
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