Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tempel

Der Tempel

Titel: Der Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Reilly
Vom Netzwerk:
hatte sagen hören, dass Hernando bei seiner besessenen Suche nach dem Götzenbild ganze Orte gefoltert habe, und von den Gräueltaten gehört, die er begangen hatte. Ich überlegte, wie ich handeln würde, wenn ich sähe, wie mein eigenes Volk abgeschlachtet, gefoltert, ermordet würde. Würde ich unter solchen Umständen die Lage Jerusalems preisgeben?
    Am Ende kam ich zu dem Entschluss, dass ich es täte, und ich war zwiefach beschämt.
    So entschloss ich mich wider Willen, wider meinen Glauben und wider die Untertanenpflicht meinem Land gegenüber, Renco zu helfen.

    Ich verließ die Hulk und kehrte später in dieser Nacht mit einem jungen Edelknaben zurück – einem Inka namens Tupac –, genau, wie Renco mich angewiesen hatte. Beide trugen wir wegen der Kälte einen Kapuzenmantel und hielten die Hände in den Ärmeln verborgen.
    Wir erreichten den Posten am Flussufer. Wie der Zufall es wollte und weil der größte Teil der Streitkräfte meines Landes in Cusco weilte und dort an der Plünderung teilnahm, war nur eine kleine Schar von Soldaten in der Zeltstadt nahe der Hulk anwesend. Tatsächlich bewachte lediglich ein einsamer Wachtposten – ein fetter, schlampiger Rüpel aus Madrid, dessen Atem nach Schnaps stank und der Dreck unter den Fingernägeln hatte – die Brücke, die zu der Hulk führte.
    Nach einem zweiten Blick auf den jungen Tupac – es war zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich für Indios, Mönchen wie mir als Pagen zu dienen – rülpste der Posten laut und befahl uns, uns ins Register einzutragen.
    Ich kritzelte unsere beiden Namen in das Buch. Anschließend betraten wir den schmalen, hölzernen Fußsteg, der vom Ufer aus zu einer Tür in der Seite der Gefängnishulk mitten im Fluss führte.
    Kaum waren wir jedoch an dem dreckigen Wächter vorüber, da fuhr der junge Tupac herum, packte den Mann von hinten, verdrehte ihm den Kopf und brach ihm in einem Augenblick den Hals. Der Körper des Wächters sackte auf seinem Stuhl zusammen. Ich erschrak angesichts dieser rohen Gewalttat, entdeckte jedoch merkwürdigerweise, dass ich wenig Mitleid mit dem Wächter verspürte. Ich hatte meine Entscheidung getroffen, meine Untertanenpflicht dem Feind verpfändet – jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Mein junger Gefährte nahm dem Wächter rasch Gewehr und Pistallo ab – oder »Pistole«, wie einige meiner Landsleute diese Waffe inzwischen nannten – sowie als Letztes die Schlüssel. Daraufhin befestigte Tupac ein Steingewicht am Fuß des Toten und ließ den Leichnam in den Fluss fallen.
    Im blassblauen Mondlicht überquerten wir den morschen hölzernen Fußsteg und betraten die Hulk.
    Als wir in den Raum mit den Käfigen kamen, sprang der Wächter im Innern auf, aber Tupac war zu rasch für ihn. Ohne im Schritt innezuhalten, feuerte er auf den Soldaten. Der Knall des Schusses in dem engen Raum der Gefängnishulk war ohrenbetäubend. Rings um uns her fuhren die Gefangenen bei dem jähen, entsetzlichen Geräusch ruckartig aus dem Schlaf hoch.
    Als wir seinen Käfig erreichten, stand Renco bereits auf den Beinen.
    Der Schlüssel des Wächters passte in das Schloss seiner Zelle und die Tür öffnete sich leicht. Die Gefangenen um uns her schrien und schlugen an die Stangen ihrer Käfige und bettelten darum, herausgelassen zu werden. Mein Blick schoss in alle Richtungen und inmitten dieses Aufruhrs sah ich etwas, das mich bis ins Innerste erstarren ließ.
    Ich sah den Chanca, Castino, reglos in seiner Zelle stehen und mich durchdringend anstarren.
    Da sein Käfig jetzt offen war, lief Renco zu dem toten Wächter hinüber, schnappte sich dessen Waffen und reichte sie mir.
    »Komm schon«, sagte er, womit er mich aus Castinos hypnotischem Blick holte. Da er lediglich knappe Lumpen trug, entkleidete Renco den Leichnam rasch. Dann zog er eilig die dicke Reitlederjacke, die Hose und die Stiefel an.
    Kaum war er angekleidet, lief er herum und schloss einige andere Käfige auf. Mir fiel auf, dass er nur die Zellen der Inkakrieger öffnete und nicht diejenigen der Gefangenen von unterworfenen Stämmen wie den Chancas.
    Dann jagte Renco mit einem Gewehr in der Hand zur Tür hinaus, die Schreie der übrigen Gefangenen missachtend, und rief mir zu, ich solle ihm folgen.
    Inmitten einer Menge rennender Gefangener liefen wir über den wackeligen Fußsteg zurück. Einige Soldaten hatten den Aufruhr an Bord der Hulk vernommen. Vier Spanier vom nahe gelegenen Zeltdorf trafen auf Pferden am Flussufer ein, als wir gerade von der

Weitere Kostenlose Bücher