Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tempel

Der Tempel

Titel: Der Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Reilly
Vom Netzwerk:
Spanier suchten Zuflucht innerhalb der Stadtmauern.
    Und so begann die Belagerung.
    Sie sollte drei Monate währen.

    Nichts auf dieser Erde hätte mich auf den Anblick vorbereiten können, der mich erwartete, nachdem wir durch die gewaltigen steinernen Schlagbäume am nördlichen Ende des Cuscotals geritten waren.
    Es war Nacht, doch ebenso gut hätte es Tag sein können. Überall brannten Feuer, sowohl innerhalb der Stadtmauern als auch draußen. Es sah aus wie in der Hölle selbst.
    Die größte Streitmacht an Männern, die ich je gesehen habe, füllte das Tal vor mir. Eine Woge von Menschen strömte von der Zitadelle auf dem Hügel zur Stadt herab – 100000 Inka, allesamt zu Fuß, die schrien, kreischten und Fackeln und Waffen schwenkten. Sie hatten die gesamte Stadt umzingelt. Innerhalb der Stadtmauern sah man Feuer in den Steinbauten wüten.
    Renco ritt mir voraus, direkt in den Strom aus Menschen hinein, und wie das Rote Meer vor Moses, so teilte sich die Menge vor ihm.
    Währenddessen ertönte ein gewaltiges Gebrüll von Seiten der Inka, ein Freudengeschrei, ein Ruf von solcher Inbrust und solchem Jubel, dass sich mir die Härchen im Nacken aufrichteten. Es war, als hätten sie Renco alle sogleich erkannt – obwohl er spanische Kleidung trug – und wären für ihn zur Seite getreten. Jeder Einzelne schien von Rencos Mission zu wissen und bereit zu sein, alles zu tun, damit er sie so rasch wie möglich erfüllen konnte.
    Renco und ich stürmten durch die wimmelnde Masse Mensch, galoppierten mit ungeheuerer Schnelligkeit dahin, während sich die Scharen jubelnder Inka vor uns teilten und uns gleichsam weiterschoben.
    Nahe der Basis der mächtigen Festung Sacsayhuaman stiegen wir ab und schritten rasch durch die Menge von Inkakriegern.
    Währenddessen sah ich rings um mich herum zahllose Pfähle, die in den Grund getrieben worden waren. Darauf steckten die blutigen Köpfe spanischer Soldaten. Auf einige Pfähle waren ganze Leichen aufgespießt worden. Köpfe und Füße hatte man ihnen abgehackt. Ich ging rasch weiter und achtete sorgfältig darauf, hinter meinem Freund Renco zu bleiben.
    Dann teilte sich die Menge vor uns urplötzlich und ich sah einen Indio vor mir an einem der Eingänge zu der riesigen steinernen Festung stehen. Er war prächtig gekleidet, trug einen leuchtend roten Umhang sowie eine goldplattierte Halskette, und auf seinem Kopf saß eine großartige, juwelenbesetzte Krone. Er war umgeben von einem Gefolge aus wenigstens zwanzig Kriegern und Dienern.
    Dies war Manco, der Sapa Inka.
    Manco umarmte Renco und sie wechselten einige Worte auf Quechua, der Sprache der Inka. Später übersetzte Renco mir das Gespräch folgendermaßen:
    »Bruder«, sagte der Sapa Inka. »Wir waren in tiefer Sorge um dich. Wir hörten, du seist gefangen genommen oder, noch schlimmer, getötet worden. Schließlich bist du der Einzige, der die Erlaubnis besitzt, das Gewölbe zu betreten und das …«
    » Ja, Bruder, ich weiß«, erwiderte Renco. »Doch höre, wir haben keine Zeit. Ich muss sogleich in die Stadt. Ist der Flusseingang bereits benutzt worden?«
    »Nein«, entgegnete Manco, »wir haben davon Abstand genommen, ihn zu gebrauchen, wie du uns angewiesen hast, damit die Goldesser von seinem Vorhandensein nichts erfahren.«
    »Gut«, meinte Renco. Er zögerte, ehe er wieder das Wort ergriff. »Ich habe eine weitere Frage.«
    »Wie lautet sie?«
    »Bassario«, sagte Renco. »Ist er innerhalb der Stadtmauern?«
    »Bassario?« Manco runzelte die Stirn. »Nun, ich … ich weiß es nicht …«
    » War er beim Fall der Stadt im Innern?«
    »Ja.«
    »Wo war er?«
    »Im Bauerngefängnis«, erwiderte Manco. »Wo er das vergangene Jahr über gewesen ist. Wo er hingehört. Warum? Wozu haben wir einen Unhold wie Bassario nötig?«
    »Das soll deine Sorge nicht sein, Bruder«, antwortete Renco. »Denn es ist ohnehin einerlei, wenn ich nicht zuerst das Götzenbild finde.«
    Genau in diesem Augenblick entstand ein gewaltiger Tumult irgendwo hinter uns und sowohl Renco als auch ich wandten uns um.
    Der Anblick erfüllte mein Herz mit unvorstellbarem Entsetzen: Eine Schar spanischer Soldaten – nicht weniger als dreihundert, strahlend in ihren geschmiedeten Silberrüstungen und den charakteristischen spitzen Helmen – jagte von den nördlichen Schlagbäumen her in das Tal und feuerte Musketen ab. Ihre Pferde waren mit schweren Silberplatten bedeckt und die solchermaßen geschützten Spanier mähten einen blutigen Pfad durch

Weitere Kostenlose Bücher