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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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hohen Portal zur Tempelvorhalle, hatte sich eine kleine Gruppe von Männern und Frauen um eine am Boden liegende Gestalt geschart.
    Nach den Gewändern zu schließen, mußte es sich bei dem Toten um Buphagos handeln. Doch wie, bei den Göttern, mochte er hierhergekommen sein?
    Ein Mann in einem bunt bestickten Leinenpanzer löste sich aus der Gruppe und trat Samu in den Weg. »Seid Ihr im Auftrag Eures Königs hier?«
    Samu nickte zögerlich. »Sozusagen ...«
    Der Fremde runzelte die Stirn. »Sozusagen?« Er mochte höchstens dreißig Sommer alt sein. Sein Gesicht war wettergegerbt und wurde von einer gewaltigen Adlernase beherrscht. »Wie darf ich das verstehen?«
    »Wer fragt mich das? Ich stehe unter dem Schutz des Tempels und bin allein der Hohepriesterin Rechenschaft schuldig.«
    Der Mann trat einen Schritt zurück und verbeugte sich mit übertriebener Geste. »Verzeiht, wenn ich Eure Würde verletzt haben sollte, ägyptische Prinzessin.« Samu hörte, wie Kleopatra hinter ihrem Rücken zu kichern begann. »Man nennt mich Orestes. Ich bin der Eirenarkes von Ephesos, der Beamte, der für die Sicherheit der Stadt zuständig ist. Die Hohepriesterin hat mich hierhergebeten, damit ich mir den Toten ansehe. In der Stadt hat es bereits einiges Gerede wegen des Vorfalls während der Prozession gestern gegeben. Kennst du diesen Mann?«
    Samu nickte. »Es ist Buphagos, der Mundschenk des Pharao. Er war es, der gestern die Prozession störte.«
    Orestes preßte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und musterte Samu einen Augenblick lang. Dann stieß er einen leisen Seufzer aus. »Ihr habt gesehen, was mit dem Leichnam passiert ist?« Er trat zur Seite, so daß die Isispriesterin jetzt das Relief am Sockel der riesigen Säule betrachten konnte, vor der der Tote lag. Die Steinmetzarbeit zeigte den Todesgott als nackten, geflügelten Jüngling, der mit Mohn bekränzt war und ein Schwert an seiner Seite trug. Er hatte ein ebenso schönes wie unnahbares Gesicht, und ein unbekannter Künstler hatte den Marmor so vollkommen bemalt, daß der braungebrannte Körper glänzte wie der Leib eines Athleten, der sich gerade mit Öl eingerieben hatte. Daneben stand eine schöne Frau in einem langen, himmelblauen Chitonion, zu dem sie einen schön drapierten roten Mantel trug.
    Erschrocken hatte sie ihr bleiches Gesicht von Thanatos abgewandt und betrachtete den nackten Götterboten Hermes, der links von ihr stand.
    »Ihr kennt die Geschichte von Alkestis, die ihr Leben für ihren Mann Admetos gegeben hat? Ich frage mich, ob es ein Zufall ist, daß Thanatos den Leichnam des Mundschenks ausgerechnet hier zurückgelassen hat? Oder ist es ein Zeichen dafür, daß dieser Mann sein Leben für einen anderen gegeben hat?«
    »Was willst du damit andeuten?« fragte Samu gereizt.
    »Die Priesterinnen sind davon überzeugt, daß Thanatos in die Gestalt des Marmorbildes gefahren ist und den Toten hierher brachte, um uns eine Botschaft zu übermitteln. Seht ihn Euch an! Seine rechte Hand ist noch blutig, ebenso das Schwert an seiner Seite.«
    Samu trat über den Toten hinweg und betrachtete das mannshohe Relief. Tatsächlich war die rechte Hand des geflügelten Gottes mit getrocknetem Blut besudelt. Ebenso das Schwert an seiner Seite. Doch das war unmöglich!
    Unschlüssig blickte sie auf den Toten hinab. Sein Kopf war mit einem glatten Schnitt abgetrennt worden. Der Schlag mußte mit großer Kraft geführt worden sein. Das sprach dafür, daß ein Gott den Leichnam enthauptet hatte.
    Aber wie hatte sich Thanatos mit Blut besudeln können? Buphagos war schon seit vielen Stunden tot, als der Gott kam, um ihn zu richten, und das Blut des Mundschenks mußte längst in seinen Adern erstarrt sein. Weder in der Nähe des Leichnams noch auf den hellen Marmorstufen des Tempels waren weitere Blutspuren zu sehen. Nachdenklich strich sich die Isispriesterin über ihr Kinn und versuchte sich vorzustellen, wie der Todesbote aus der Säule gestiegen war und was er dann getan haben mochte.
    »Zweimal in nur zwei Tagen hat sich uns das Wirken der Olympier offenbart«, murmelte Orestes düster. »So etwas ist seit dem Zeitalter des Herakles nicht mehr geschehen. Die Hohepriesterin wünscht zur Mittagsstunde Euren König zu sehen, Ägypterin. Sie will mit ihm über die Vorkommnisse reden und darüber, daß beide Ereignisse in Verbindung mit ihm und seinem Hofstaat stehen.«
    »Ptolemaios XII., der Neue Osiris, ist ebenfalls ein Gott, und kein Sterblicher kann

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