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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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hüllte Meer und Land in Finsternis. Hierauf schickte sie ihre Botin Iris zu Aiolos hinab, dorthin, wo in den Abgründen der Erde die Höhle der Winde sich befindet, an welche die Wohnung des Aiolos stößt. Der Fürst der Stürme vernahm ...«
    Nachdenklich kratzte sich Philippos seinen kurzgeschorenen Bart. Er kannte diesen Text. Er stammte aus dem letzten Buch von Homers Ilias. Es war die Stelle, an der die heimkehrenden Griechen der Zorn der Athene traf, weil der Lokrer Aias die schöne troische Seherin Kassandra vom Altar der Athene hinweggezerrt hatte, um ihr Gewalt anzutun. Dabei war das Bildnis der Göttin zu Boden gestürzt. Es hieß, daß Kassandra in ihrer Jugend eine für ihre Keuschheit berühmte Priesterin des Apollon war. Gab es hier eine Verbindung zum Tod des Buphagos? Hatte der vorgeblich so langweilige Mundschenk vielleicht ein heimliches Verhältnis zu einer der Artemispriesterinnen unterhalten? Nachdenklich rollte der Arzt das Pergament zusammen und schob es sich in den Gürtel.
    Würde ein Mann, der genau wußte, daß man ihn für den Umgang mit einer Priesterin mit dem Tod bestrafen würde, einen so verräterischen Text offen herumliegen lassen? So leichtfertig würde doch niemand sein, der seine Sinne noch beieinander hatte! Aber waren Verliebte noch bei Sinnen? Nachdenklich setzte der Arzt die Durchsuchung des Zimmers fort.
    An der Wand links von der Tür stand eine mit schönen Schnitzereien versehene Truhe. Der einzige Ort, an dem man in dieser winzigen, übersichtlichen Kammer etwas verstecken konnte. Der Deckel knirschte leise, als Philippos ihn öffnete, und ein Duft nach Zedern und Wacholder schlug ihm entgegen. In der Truhe lagen einige ordentlich gefaltete Gewänder, an denen noch der Geruch der Öle haftete, mit denen sich Buphagos zu Lebzeiten gesalbt hatte. Vorsichtig hob der Grieche die Gewänder aus der Truhe und stapelte sie neben sich auf dem Boden. Ganz zu unterst fand er einen Papyrusbogen, der um einen mit Löwenköpfen geschmückten Holzstab gewickelt war.
    Hatte er gefunden, was er suchte?
    Vor Erregung zitterten die Finger des Arztes, als er die purpurne Wollschnur löste, die die Schriftrolle zusammenhielt.
    Um so größer war seine Enttäuschung, als er auf dem Papyrus nichts als eine Auflistung von Möbeln, Stoffen, Schmuck und Salbölen fand. Wieder nichts! Verdrossen rollte Philippos den Papyrus zusammen, legte ihn in die Truhe zurück und stapelte die Kleider wieder darüber. Was war das für ein Mann, dessen größtes Geheimnis eine langweilige Liste von Tributgeschenken an den Pharao war!
    Ziellos schweiften die Blicke des Griechen durch das Zimmer.
    Dicht neben dem Fenster, an der Wand gegenüber der Tür, stand ein Tisch, auf dem ordentlich aufgereiht die Schminkutensilien des Toten verteilt waren. Philippos schlenderte hinüber und betrachtete kopfschüttelnd die kleinen Töpfchen und Tiegel. Was für merkwürdige Gefäße! Der Arzt griff nach einer kleinen Holzstatue, die einen knienden Sklaven im Lendenschurz zeigte. Auf dem Rücken trug der Mann einen riesigen Korb, der sich mit einem hölzernen Deckel verschließen ließ. Neugierig schob der Grieche den Deckel zur Seite. Eine schwarzsilberne Salbe glänzte darunter. Das Zeug, das sich diese ägyptischen Narren unter die Augen strichen.
    Philippos verschloß das Gefäß wieder und stellte es auf den Tisch zurück. Dicht daneben lag eine schwarze Schieferpalette, die mit Kranichköpfen verziert war. Ein kleiner Rest von grüner Paste klebte in einem Winkel der Palette. Hinter ihr stand ein geöffnetes Holzkästchen, aus dem drei schlanke Alabasterphiolen ragten. Vermutlich Behältnisse für Duftöl. In einer flachen Schale aus Bronze lagen zwei fingerdicke, rötliche Stifte. Sie waren aus Bienenwachs und rotem Ocker, der Farbe, die die Ägypter für Wangen und Lippen verwendeten.
    Daneben waren einige Spatel und langstielige Löffel aus Elfenbein sauber nebeneinander aufgereiht. Instrumente, die man zum Anrühren und Auftragen der Schminken brauchte. Alle Gefäße überragend stand mitten auf dem Tisch ein Handspiegel. Sein Griff, der in einen breiten Sockel mündete, zeigte eine fein modellierte Frauengestalt in einem langen, vor der Brust verknoteten, Gewand. Zwischen den langen Haaren der Gestalt wuchsen seltsame Tierohren hervor, und ein Hörnerpaar umrahmte die große, leicht ovale Silberscheibe, die aus dem Haupt der Frau wuchs.
    Philippos betrachtete sein Antlitz in dem polierten Silber. Die grauen

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