Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teratologe (German Edition)

Der Teratologe (German Edition)

Titel: Der Teratologe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wrath James White , Edward Lee
Vom Netzwerk:
der landesweiten Sender finden. Seine Leiche? Sie blieb für immer spurlos verschwunden.

(V)
    Westmore schreckte gegen drei Uhr morgens kerzengrade und schweißgebadet aus dem Schlaf hoch. Das war ihm in letzter Zeit schon einige Male passiert. Er hatte die 40 hinter sich gelassen, kannte kein Leben außer seiner Arbeit und gelegentlichen Feierabendbesäufnissen. »Lasst uns ein paar Bier trinken gehen.« Ein paar waren in der Regel schnell acht oder zehn. Er wusste, dass er sich zumindest an der Grenze zum Alkoholiker bewegte, hätte sich das aber niemals eingestanden. Alle Fotografen tranken – jedenfalls alle guten. Das war seine Entschuldigung. Aber der Alkohol sorgte auch dafür, dass er nachts nicht mehr durchschlafen konnte.
    Als er so abrupt aufwachte, war er verängstigt. Das ungute Gefühl, dass sich noch jemand im Zimmer befand, machte sich in seinem Inneren breit. Tatsächlich glaubte er sogar, einen Schemen dort in der Dunkelheit gesehen zu haben. Jemanden, der dort neben ihm stand und auf sein Bett herunterstarrte. Ihm war nach Schreien zumute und er knipste die Lampe auf dem Nachttisch an.
    Niemand war da, natürlich, aber hatte er da nicht ein Murmeln gehört, als das Licht aufflackerte? Er bildete sich ein, dass jemand sagte: »Scheiße. Ich hasse Licht.«
    Er kam sich plötzlich wie ein Idiot vor. Es musste dieser Johnny Walker Blue gewesen sein, den er am Nachmittag hinuntergestürzt hatte – ein verdammt starkes Zeug. Ich werde mit dem Trinken aufhören, beschloss er, während er sich die Augen rieb.
    Das Zimmer sah aus wie die Präsidentensuite im Four Seasons. Großer Whirlpool, topmodernes Heimkino mit allen Schikanen, intarsierte Paneelwände, ein Himmelbett. Der plüschige Kaschmirteppich kostete vermutlich mehr als Westmores gesamte Eigentumswohnung. Wie im unteren Stockwerk gab es raumhohe Türen in Richtung Osten. Sie führten auf einen Balkon, von dem aus man den gesamten Garten überblicken konnte. Ein blasser Mond schien durch die quadratischen Sprossenfenster. Eine Zigarette auf dem Balkon wäre jetzt genau das Richtige gewesen, aber als er den Türgriff bewegen wollte, stieß er auf Widerstand. Er berührte die Scheiben. Auch hier Lexan.
    Hör auf, so paranoid zu sein!, schimpfte er mit sich selbst. Falls auch die Tür in den Flur abgeschlossen war, hätte er durchaus einen Grund, paranoid zu sein, aber sie ließ sich widerstandslos öffnen, als er es versuchte. Er fühlte sich wie ausgekotzt. Ein Schlückchen gegen den Kater war immer die schlechteste Ausrede, aber Johnny Blue war nun mal ein verflucht guter Scotch. Er hatte seine Kleidung achtlos über die blaugrüne Récamière gepfeffert, die vor der Wand stand, an der ein echter Mark Rothko zu hängen schien.
    Das abstrakte Gemälde weckte in ihm Erinnerungen an eine längst vergessene Liebe – ein Mädchen, das er mehr als alles andere vergötterte, ihr seine Gefühle aber nie eingestand. Seine Stimmung verschlechterte sich weiter. Fehlschläge, wo immer er hinsah. Überall umgaben ihn Verzweiflung und Scheitern in einem solchen Maße, dass sie ihm inzwischen wie gute Bekannte vorkamen. Eilig streifte er seine Kleidung über, griff nach seinen Zigaretten und verließ das Zimmer.
    Ja, eines Tages höre ich mit dem Trinken auf … nur nicht heute.
    Im Hauptflur der oberen Etage herrschte eine Stille und Dunkelheit wie in einer Leichenhalle. Über das Geländer, das vor den Gästezimmern emporragte, warf er einen Blick in die atriumartige Empfangshalle im Erdgeschoss und rief sich weitere Details zum Grundriss des Anwesens ins Gedächtnis. Ein zweiter Korridor schien auf der anderen Seite zu weiteren Gästezimmern zu führen. War es wirklich Farrington selbst gewesen, den sie kurz nach ihrer Ankunft in diesem Flur hatten weinen sehen? Irgendwas über Engel, erinnerte sich Westmore. Dann dieses abgefahrene Gerede über Konzepte der Perfektion und Gott. Was für ein Spinner …
    Er schlich so leise, wie es ging, die ausladende Treppe hinunter. Eine Kopfschmerzattacke suchte ihn heim. In der Lobby sorgten lediglich einige heruntergedimmte Lampen für ein Minimum an Helligkeit. Er schlüpfte in den Salon, in dem sie Farrington zum ersten Mal begegnet waren, und steuerte die Hausbar an. Flaschen klirrten, als er den Johnny Blue aus seinem Versteck befreite. Er schenkte sich zwei Fingerbreit ein und sah sich nach diesem Ding um, von dem Bryant gemeint hatte, es sei gar kein richtiger Aschenbecher.
    Tief im Innern des Hauses tickte

Weitere Kostenlose Bücher