Der Teratologe (German Edition)
reinste Irrenhaus hier! Total gaga!«
Bryant sprach mit einem unsichtbaren Gegenüber und nickte dabei. Seine Augenbrauen hoben sich, dann trennte er die Verbindung. »Farrington hat uns nicht zum Narren gehalten. Tait hat mir gerade bestätigt, dass es in Ordnung geht. Er möchte, dass wir eine Woche bleiben, um ihm dann einen perfekten Artikel abzuliefern.«
»Na großartig.« Westmore schenkte sich einen weiteren Scotch ein. »Habe ich schon erwähnt, wie froh ich bin, dass die Schreiberei an dir hängen bleibt? Besser du als ich, Mann. Viel Erfolg dabei, einen Kerl zu interviewen, der glaubt, er könne Gott einfangen .« Westmore konnte sein Gelächter nur schwer zurückhalten. Er schlenderte hinüber zum Fenster und war gerade dabei, sich ein wenig zu beruhigen, als sein Herz einen Satz tat. Michaels stand direkt neben ihm, die Hände auf dem Rücken verschränkt, ein zaghaftes Lächeln im Gesicht. Als hätte er sich von einer Sekunde zur nächsten neben ihm materialisiert.
»Ich glaube, Sie werden Mr. Farrington als höchst faszinierenden Interviewpartner schätzen lernen.«
»Sie machen Witze.«
»Trinken Sie bitte aus, dann werde ich Ihnen die Zimmer zeigen. Ich glaube, Sie werden sie als angemessen empfinden.«
»Ich bin sicher, dass das der Fall sein wird«, erwiderte Bryant. »Und ich stimme Ihnen zu, Mr. Farrington ist ein überaus interessanter Mann.«
Westmore blickte noch verwirrter drein. Unbewusst legte er seine Hand auf den Griff der raumhohen Fenster, um sie zu öffnen. Doch dann fiel ihm wieder ein, dass sie verriegelt waren. »Auf dem Grundstück muss es von Sicherheitstechnik und Alarmsensoren nur so wimmeln. Warum sind die Türen trotzdem verschlossen?«
Michaels hielt sein vages Lächeln aufrecht. »Eine überaus sinnvolle Maßnahme. Schließlich befinden sich große Kostbarkeiten in diesem Haus, Mr. Westmore.«
Sicher, aber … Westmore führte den Gedankengang nicht zu Ende. Seine Zustände machten ihm wieder zu schaffen. Draußen konnte er am Ende des ausgedehnten Gartens die Einfahrt, die zum Seitenflügel des Anwesens führte, erkennen. Gerade fuhr ein Lieferwagen mit dem Schriftzug DAYE PHARMACEUTICALS, LTD. an der Seite des Fahrzeugs vor.
Bryant sah ihn auch. »Ich kann mich nicht erinnern, in Mr. Farringtons Profil gelesen zu haben, dass er eine Pharmafirma besitzt.«
»Er besitzt sie nicht. Er verfolgt lediglich ein esoterisches Interesse daran.«
»Esoterisch?« Bryant warf ihm einen verwirrten Blick zu. »Sie meinen finanziell.«
Aber Westmore hörte kaum zu. Stattdessen strichen seine Finger über die Fensterscheibe. »Das ist kein Glas, sondern Lexan, nicht wahr?«
»Ja, in der Tat, Mr. Westmore. Benehmen ist für einen Mann wie Mr. Farrington wichtig, aber Sicherheit ist von mindestens genauso großer Bedeutung. Jedes Fenster des Anwesens besteht aus Lexan – ein ausgesprochen teures Material. Und Sie haben recht, sowohl das Gebäude als auch das Grundstück sind umfangreich gesichert. Bei jeder einzelnen Tür im Haus kommt ein elektronisches Schließsystem zum Einsatz. Wir möchten unbedingt vermeiden, dass jemand unbemerkt hereinkommt.«
Oder heraus, dachte Westmore.
(IV)
Fadden kannte sich mit solchen Anomalien nicht aus, aber was, wenn er es täte?
Die Erbkrankheiten waren vielfältig ausgeprägt: Verformungen der Finger, überzählige Daumen, einseitige Hemihypertrophie mit angeborener Asymmetrie, die akute Hypophyse nicht zu vergessen. Der Name der Frau auf dem Bett lautete Carol, wobei ihr Name genauso nutzlos schien wie ihr Leben. Sie war 29 Jahre alt, besaß aber das Gesicht einer Zehnjährigen und die Knochen eines Säuglings.
Die Hemihypertrophie war dafür verantwortlich, dass eine Hälfte ihrer 1,40 Meter großen Gestalt schneller wuchs als die andere. Rechter Arm und rechtes Bein waren auf den mehr als doppelten Umfang angewachsen und zudem einige Zentimeter länger, beide Daumen so groß wie Bratwürste. Hingegen hatten die Finger ihr Wachstum im Alter von fünf Jahren eingestellt. Sogar jetzt, mit beinahe 30, sah sie immer noch aus wie ein kleines Monsterbaby.
Fadden verfluchte sich selbst, als er mit solcher Wucht gegen das Frauenkind knallte, dass er seinen ruinierten Körper beinahe entzweibrach.
Er wollte das nicht tun.
Aber er konnte nicht anders.
Bruchstücke der Vernunft zerschnitten seine ungebändigte Lust. Fadden arbeitete als Priester und religiöser Berater des Weißen Hauses. In gewissem Sinne – einem diözesanen – war er
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