Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
Ich stamme aus Ohio. Südost-Ohio, um genau zu sein, gleich an der Grenze zu West Virginia.«
»Das dachte ich mir. Sind Sie ein Fan der Cleveland Browns oder der Cincinnati Bengals? Das ist in Ohio doch eine Glaubensfrage.«
»Oh ja.« Raphael lachte. »Ich fürchte, ich bin Fan der Browns. Der Orden der Franziskaner blickt auf eine lange Leidensgeschichte zurück.«
Nach ein paar Minuten unverfänglicher Konversation kamen sie zum Thema. »Hat man Sie informiert, weshalb wir mit Ihnen sprechen möchten?«, fragte Byrne, obwohl er davon ausging. Er und Jessica hatten auflisten müssen, worüber sie mit dem Pressesprecher reden wollten, ehe ihnen ein Gespräch bewilligt worden war.
Raphael nickte und trank einen Schluck Kaffee. »Ja. Wie Sie sich bestimmt vorstellen können, ist die Erzdiözese höchst beunruhigt. Deshalb werden wir Sie auf jede erdenkliche Weise unterstützen.«
»Dafür sind wir Ihnen dankbar«, sagte Byrne und informierte ihn kurz über die Morde an Daniel Palumbo und Cecilia Rollins, ohne ins Detail zu gehen.
Raphael hörte mit ausdrucksloser Miene zu.
»Die Gebäude stehen zwar leer, aber vermutlich werden der oder die Täter diese Verbrechen aus einem bestimmten Grund in einer katholischen Kirche verübt haben«, sagte Byrne.
Auch wenn er es nicht ausdrücklich betonte, wies er mit dieser Vermutung auf eine mögliche Verbindung zwischen dem Mörder und der Kirche hin. Sobald eine Kirche geschlossen wurde, führte dies bei den Gemeindemitgliedern ebenso zu Verärgerung wie bei den Priestern, Nonnen und Laien, die sie unterstützten.
Früher hatte in einem kleinen Teil von Nord-Philadelphia in jeder dritten Straße eine katholische Kirche gestanden. Es waren Kirchen, denen hauptsächlich Gemeindemitglieder derselben ethnischen Gruppierung angehörten – Italiener, Polen, Deutsche, Litauer. Dann gab es noch die Gemeinden der Iren, die als sogenannte »Hauptgemeinden« bezeichnet wurden. Der Grund dafür war, dass die Katholiken in Philadelphia, die Englisch sprachen, größtenteils aus Irland stammten.
Byrne nahm sein Notizheft und blätterte darin. »Könnten Sie uns erklären, welcher Prozess der Schließung einer Kirche der Erzdiözese vorausgeht?«
Raphael dachte kurz nach. »So etwas geschieht natürlich erst nach langer Überlegung«, sagte er dann. »Ein solcher Prozess kann Monate, manchmal Jahre dauern, und er wird oft von hitzigen Diskussionen begleitet. Wie Sie sicher wissen, wurden in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren zahlreiche Kirchen geschlossen. Als immer weniger Schüler Konfessionsschulen besuchten, sanken auch die Einnahmen. Die traurige Wahrheit ist – zumindest soweit es die städtischen Gemeinden betrifft –, dass die meisten Katholiken in die Vororte gezogen sind. Diese Abwanderung begann nach dem Zweiten Weltkrieg und nahm in den Siebziger-, Achtziger- und Neunzigerjahren zu.«
Raphael drehte seine Tasse auf der Untertasse einmal ganz herum. »Wenn eine Gemeinde schrumpft, steht sie normalerweise mit einem hundert Jahre alten Gebäude da, das immense Unterhaltskosten verursacht. Und dann sind einfach nicht mehr genügend Gemeindemitglieder da, um die Kosten zu tragen. Daher wird das Gebäude geschlossen, und zwei Pfarreien werden zusammengelegt.«
»Und was geschieht mit den Kirchen?«, fragte Byrne.
»Einige werden abgerissen. Andere werden an andere Glaubensgemeinschaften verkauft. So etwas kommt vor, wenn auch eher selten. Ein klassisches Beispiel war die St. Stephens Church in der North Broad Street. Sie wurde an die Baptisten verkauft, die dann selbst große Mühe hatten, die Kosten für die Instandhaltung aufzubringen.«
»Was geschieht, wenn die letzte Messe in einer Kirche gelesen wurde?«
»Dann holen wir alle Gegenstände heraus, die geweiht oder wertvoll sind. Bunte Kirchenfenster, Marmorgeländer, das Tabernakel. Es gibt einige Lager für geweihte Dinge. Das größte ist in Corpus Christi, Texas.« Raphael lächelte. »Wir wollen ja nicht, dass diese Gegenstände plötzlich als Kuriositäten in Karaoke-Bars auftauchen.«
Jessica wusste, worauf Raphael anspielte. Sie hatte einst die Hochzeitsfeier einer Freundin in New York besucht, die in einem großen Festsaal gefeiert wurde. Auf ihrem Tisch hatten Kerzenleuchter mit dem Christusmonogramm gestanden.
»Zweitens«, fuhr Raphael fort, »und das ist bei vielen älteren Kirchen der Fall, müssen wir uns mit dem Problem befassen, dass die ersten Pfarrer in der Kirche beigesetzt worden
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