Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
Fenster eines anderen Wohnhauses mit Blick auf Adrias Zimmer gab es nicht und daher auch niemanden, den sie befragen konnten.
In den nächsten Tagen mussten sie noch einmal hierher zurückkehren. Sie würden mit Leuten auf der Straße sprechen, sich nach ihrem Tagesablauf erkundigen und sie fragen, ob sie in den letzten Wochen in dieser Gasse etwas Verdächtiges beobachtet hatten.
Und wie fast immer würden sich diese mühsamen Befragungen als sinnlos erweisen.
*
Die katholische Kirche in Philadelphia war so alt wie die Stadt selbst. Nicht lange, nachdem William Penn die Stadt gegründet hatte, wurde im Jahre 1733 die erste katholische Messe in der alten St. Josephs Church zelebriert. Im achtzehnten Jahrhundert gehörte Philadelphia zu den wenigen Städten in der englischsprachigen Welt, in der Katholiken ihren Glauben in der Öffentlichkeit praktizieren konnten.
Der Amtssitz des Erzbischofs von Philadelphia lag im Nordwesten der Stadt. Dana Westbrook hatte über das Büro des Bezirksstaatsanwalts eine Anfrage an die Erzdiözese gerichtet, worauf ein Treffen mit Michael Raphael, dem Pressesprecher, vereinbart worden war.
Es lag auch im Interesse der Kirche, sich mit den Ermittlern zu treffen. In den Medien wurde ausführlich über die Morde berichtet. Ein toter junger Mann und ein totes Baby, die man in zwei verschiedenen katholischen Kirchen gefunden hatte, sorgten für negative Schlagzeilen. Die Boulevardpresse brachte bereits Artikel über Exorzismus und Ritualmorde. In Anbetracht der Skandale, in die die katholische Kirche in den letzten zehn Jahren verwickelt war, war es für die Erzdiözese das Beste, zu allen Sachverhalten, die ihren Ruf schädigen könnten, sofort Stellung zu beziehen.
*
Eine mollige Frau um die sechzig öffnete den Detectives die Tür. Obwohl sie Straßenkleidung trug, wusste Jessica, dass die Frau eine Nonne war. Wenn man zwölf Jahre lang eine katholische Schule besucht hatte, bekam man einen Blick dafür, wer zur Kirche gehörte und wer nicht.
Nachdem sie ein paar höfliche Bemerkungen gewechselt hatten, führte die Frau die Besucher in ein Arbeitszimmer, das sie durch eine Tür in der Eingangshalle betraten. Bücherregale säumten den mit Eichenholz getäfelten, geschmackvoll eingerichteten Raum, in dem der Pressesprecher der Erzdiözese sie empfangen wollte. In der Mitte stand ein runder, polierter Tisch, umstanden von sechs mit Samt gepolsterten Stühlen.
Ein paar Minuten später wurde die Tür geöffnet.
Michael Raphael war viel jünger, als Jessica und Byrne erwartet hatten. Er war ein gut aussehender, sportlicher Mann in den Zwanzigern, dem eine jungenhafte Verletzlichkeit, aber auch spürbares Selbstvertrauen anhafteten. Letzteres brauchte der Pressesprecher einer so mächtigen Organisation wie der Erzdiözese von Philadelphia. Sie war nicht nur für Philadelphia zuständig, sondern auch für Bucks, Montgomery, Chester und die Delaware Countys. Bei einem so großen Wirkungsbereich verfügte sie über einen enormen Einfluss.
Jessica wusste nicht viel über das Priesteramt, aber wenn Michael Raphael schon in so jungen Jahren zum Priester geweiht worden war, musste er mit einem Bachelor-Abschluss ins Priesterseminar eingetreten sein. Sein Alter und seine Position waren in vieler Hinsicht erstaunlich. Geistliche, die das Priesterseminar gerade abgeschlossen hatten, wurden in der Regel in kleine Gemeinden berufen oder bekamen kleinere Aufgaben in größeren Gemeinden übertragen.
»Ich bin Michael Raphael«, sagte er, und seine dunklen, ausdrucksvollen Augen funkelten. »Guten Tag.«
»Ich freue mich, dass Sie Zeit für uns haben«, erwiderte Jessica.
Sie begrüßten sich per Handschlag.
Raphael zeigte auf zwei Stühle an dem Tisch. »Bitte nehmen Sie doch Platz.« Er wies auf einen hübschen antiken Servierwagen neben dem großen Fenster. »Darf ich Ihnen Kaffee oder Tee anbieten?«
Jessica und Byrne lehnten dankend ab. Raphael goss sich eine Tasse schwarzen Kaffee ein und setzte sich ihnen gegenüber an den Tisch.
»Ich muss gestehen, dass ich mir Sie nicht so jung vorgestellt habe«, eröffnete Byrne das Gespräch.
Raphael lächelte. »Das sagen viele Leute. Leider wird das früher aufhören, als mir lieb ist.«
»Sie stammen nicht aus Philadelphia, stimmt’s?«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich höre es an Ihrem Akzent.«
»Sehr gut beobachtet, Detective. Auch wenn ich die Stadt der Brüderlichen Liebe gerne als meine Heimatstadt angeben würde, sie ist es nicht.
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