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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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hatte sich gerötet. Aber der Redner F. war im Zug, er dachte gar nicht daran zu schweigen. Elastisch, schlank, trotz seines schäbigen Anzugs gut anzuschauen, stand er vor dem uniformierten, untersetzten, rotgesichtigen, mopsgesichtigen Kapitän und schürte das Feuer. »Sie haben es leicht, Herr Kapitän«, sagte er. »Wenn die Deutschen kommen, dann salutieren Sie höflich, und der deutsche Kommandant salutiert ebenso höflich, und Sie übergeben ihm das Lager, ziehen Ihre Uniform aus und gehen nach Hause. Und von uns verlangen Sie, wir sollen sterben.« Den Bruchteil einer Sekunde suchte der Kapitän nach einer Antwort, dann schlug er mit seiner Reitgerte auf den Tisch.
Der alte, betuliche Herr S. wollte etwas sagen, wollte vermitteln. Aber ehe er den Mund aufmachen konnte, ging der Kapitän ins Nebenzimmer und schlug die Tür zu.
    Da standen wir. Was der rhetorische Anwalt F. gemacht hatte, war offenbar Unsinn gewesen. Man konnte in unserer Lage schwerlich etwas Törichteres tun als den Mann verstimmen, in dessen Hand unser Schicksal lag; denn Monsieur G. war der einzige, der Verbindung hatte mit jenen Stellen, die uns helfen konnten. Dabei war eigentlich alles, was zu sagen war, schon lange und des öfteren gesagt worden. Der Kapitän hatte recht: Verhandlungen mit uns nahmen ihm nur kostbare Zeit weg. Es war von vornherein Unsinn gewesen, die Delegation abzuschicken, und nun hatte das rednerische Feuer Dr. F.s den wohlwollenden Kommandanten nur verärgert.
    Dabei konnte ich mir nicht helfen, die Haltung F.s, so töricht sie war, hatte mir gefallen, in meinem Innern hatte ich ihm, während er sprach, Beifall geklatscht. Auch die andern, das ganze Lager, freuten sich, als sie von der »energischen« Rede F.s hörten. So wenig Sinn und Zweck es hatte, ja, so schädlich es war, allen war es recht, daß man endlich einmal den französischen Herren gesagt hatte, was man von ihnen dachte.

    Die zweite Nacht

    Die Nacht, die nun folgte, wurde für die meisten von uns qualvoll.
    Schon äußerlich unterschied sie sich von andern Nächten. Infolge der Schlägerei, welche die Nazis gestern in der Dunkelheit versucht hatten, war angeordnet worden, daß von nun an ein paar Glühbirnen mehr brennen sollten, auch wurden innerhalb des Gebäudes französische Wachen aufgestellt. Sie standen, die französischen Soldaten, an der Treppe, andere an dem großen Tor, sie wurden alle zwei Stunden abgelöst, sie gähnten und nickten einem »Gute Nacht« zu, wenn man über die Treppe ging.
    Der große Saal war in dieser Nacht noch mehr als sonst erfüllt von Geflüster, Angst und Erregung. Man spürte es geradezu körperlich, wie die andern auf dem Stroh lagen, jeder lauschend auf das Geflüster ringsum, wie jetzt in der Dunkelheit die Hoffnungen und die Ängste des Tages ins Riesenhafte wuchsen, und wie jeder immer wog, wog, wog: Wird es uns gelingen? Werden wir noch zurecht kommen? Werden die Nazi-Truppen uns überraschen? Werden wir gerettet werden?
    Es wäre eine Lüge, wenn ich behaupten wollte, ich sei in dieser Nacht von Angst verschont geblieben. Andernteils war der Gleichmut, den ich zum Staunen meiner Kameraden zur Schau trug, keineswegs gespielt.
    Ich habe im Eingang dieses Buches schon gesprochen von meinem Fatalismus. Ich muß hier mehr erzählen von dieser meiner Schicksalsgläubigkeit, weil meine Haltung während der Begebenheiten, von denen ich jetzt berichte, schwer zu verstehen ist, wenn man nicht diesen meinen Glauben oder Aberglauben in Rechnung setzt. Ich füge also den beiden Bekenntnissen im Eingang dieses Buches ein drittes hinzu.
    Die meisten Ereignisse um uns herum sind von sehr vielen Ursachen bedingt, wir vermögen jeweils nur einige wenige dieser Ursachen zu erkennen. Wir sehen nur das eine oder andre Glied der Kette, niemals übersehen wir die Kette ganz. Niemals gar erfahren wir etwas über ihren Anfang und ihr Ende. Wir tun also gut daran, nicht einzelne Ursachen als die Ursachen herauszuklauben, sondern, so sehr sich unser hochmütiger Verstand dagegen wehrt, dem Zufall die Hauptrolle in unser aller Leben zuzuschreiben. Einstein hat resignie rend festgestellt, er müsse bekennen, die Wissenschaft habe für die Geschehnisse im Universum keine bessere Erklärung, als daß es dort zugehe wie bei einem Hazardspiel.
    Nun ist aber andernteils der menschliche Geist so geartet, daß er durchaus eine Erklärung haben will dieses unerklärlichen Spieles: Leben, Schicksal. Wir können uns nicht damit bescheiden,

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