Der Teufel in Frankreich
daß unser Leben regiert wird vom Zufalle, das heißt, von uns unbekannten Gesetzen. Und da eine Erklärung, die der Vernunft genügte, nicht zu finden ist, so suchen wir jenseits der Vernunft, im Aberglauben, in der Mystik, in der Religion. Es gibt keinen unter uns, und wenn er sich für noch so nüchtern hält, der nicht Tausende von abergläubischen Vorstellungen in sich herumtrüge, ihm selber unbewußt. Und gerade in den entscheidenden Momenten werden wir regiert nicht von unserer Vernunft, sondern von magischen Vorstellungen, die wir von Urvätern her ererbt haben.
Mir gefällt es, manchmal in mir selber zu graben, um die magischen Vorstellungen zu entdecken, die meine Handlungen bestimmen mögen. Ich suche diese meine Magie zu überraschen dann, wenn sie gerade bis zur Schwelle des Bewußtseins vordringt. Ich schäme mich meines Aberglaubens nicht, ich gestehe ihn ein, und ich halte mich darum nicht für dümmer als jene, die sich ihren Aberglauben nicht eingestehen.
Sehr wohl wissend also, daß es Unsinn ist, und mich darum verlachend, glaube ich wohlgleich eine Linie gefunden zu haben, ein geheimes Gesetz, das mein Leben bestimmt. Ich glaube nämlich, daß ich zwar in meinem Alltag immerzu von tausend kleinen Widerwärtigkeiten gequält werde, von tausend Tücken des Objekts, daß indes diese kleinen Übel nur das Lösegeld sind, welches das Schicksal von mir verlangt dafür, daß ich Glück habe in den großen, entscheidenden Dingen.
Ja, ich wurde und werde zeitlebens heimgesucht von
kleinen, häufig läppischen Leiden. So muß zum Beispiel ich, ein Mensch, der auf Ordnung und Sicherheit hält, nun seit langen Jahren ohne richtige Legitimationspapiere leben, und gerade ich, der ich vor solchen Geschäften eine besondere Scheu habe, muß immerzu mit den Behörden kämpfen um Ausweise, Bestätigungen, Erlaubnisscheine. Ähnlich steht es um meine Finanzen. Ich habe seit etwa zwei Dezennien auf anständige Art, durch produktive Tätigkeit Geld genug verdient, um so leben zu können, wie ich wollte; doch wo immer dieses Geld sich befand, überall wurde es blokkiert oder konfisziert. Mein leibliches Befinden untersteht ähnlichen Gesetzen. Ich bin von zäher Konstitution und habe ernsthafte Krankheiten gut überstanden. Allein ich bin schwächlich, anfällig für Erkältungen, ich sehe schlecht, es kostet mich Mühe, deutlich zu sprechen, meine Verdauung funktioniert nicht so, wie sie sollte, und hat mir oft in entscheidenden Situationen unangenehme Streiche gespielt.
Kurz, auf allen Gebieten und was immer ich anfange, gerate ich in kleine, groteske Schwierigkeiten, von denen die meisten meiner Zeitgenossen verschont bleiben. Da hatte etwa einer meiner Verleger verabsäumt, ein Copyright einzuholen, und der Großteil der Einnahmen eines erfolgreichen Werkes ging mir flöten. Oder es hatten Angestellte von mir Dinge angerichtet, für die ich einstehen und ähnliche Summen bezahlen mußte. Immerzu hatte ich Geld, Zeit, Nerven, Leben aufzuwenden für Geschäfte von unsäglicher Albernheit. Stets war ich auf der Suche nach einem guten Anwalt, einem guten Arzt, einem guten Bankier, nach Leuten, die, besser versiert in solchen Geschäften, mir diese Dinge abnehmen könnten. Ich fand auch den rechten Arzt, den rechten Anwalt, den rechten Bankier. Der Anwalt kam, nachdem er ein halbes Jahr für mich gearbeitet hatte, bei einem Eisenbahnunglück um. Der Arzt, nachdem er mich zwei Jahre betreut hatte, verübte, un ter Hitler, Selbstmord. Die Bank verwaltete mein Vermögen neun Monate, dann wurde sie von den Nazis beschlagnahmt.
Diesen kleinen Leiden stehen entscheidende Glücksumstände gegenüber. Den ersten Weltkrieg erlebte ich zu einer Zeit, da ich noch nicht erstarrt war, sondern noch wandlungsfähig, so daß ich die Kriegserlebnisse in Erfahrung ummünzen konnte, die für mein Leben und für mein Werk entscheidend wertvoll wurden. Ich habe die Bücher geschrieben, die ich schreiben wollte, und die Arbeit, so oft ich sie verfluche, bereitet mir eine Lust, die ich mit keiner anderen vertauschen möchte. Überdies ist die Gesellschaft von heute so eingerichtet, daß sie mir nicht nur erlaubt, das zu tun, was ich gern tue, nämlich gut zu schreiben, sondern daß sie mich dafür sogar noch bezahlt. Ja, ich habe das außerordentliche Glück, Erfolg zu haben, wiewohl ich begabt bin. Dazu kommt, daß ich die Frauen und die Freunde gefunden habe, die ich mir wünschte, und sie haben zu mir gehalten. Alle diese Umstände
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