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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sprach freundschaftlich zu mir, wie man zu einem guten Bekannten spricht. Er habe jetzt die Listen so ziemlich alle, teilte er mir mit. Es seien an die zweitausend Mann, die abtransportiert zu werden wünschten, ungefähr doppelt so viele, als man in Marseille erwarte. Gleichwohl rechne er damit, daß der Transport morgen, spätestens übermorgen werde abgehen können. In der Zwischenzeit werde er alles tun, um die Leute von ihrer Nervosität abzulenken. Sehr viele von uns hätten Papiere eingeliefert, die ihre Loyalität der französischen Sache gegenüber beweisen sollten. Diese Papiere könnten, wenn sie nach unserm Abtransport von den Nazis gefunden würden, belastend sein und Repressalien gegen zurückgebliebene Familienmitglieder hervorru- fen. Er gebe sie also zurück und stelle es jedem anheim, was er damit anfangen wolle. Ich möge doch auch meinerseits alles tun, forderte er mich auf, die Leute zu beruhigen. Mit ihrem ewigen Gefrage und ihren ewigen Delegationen nähmen sie ihm nur kostbare Zeit weg, die er in unserm Interesse besser verwenden könne.
    Der humane und vernünftige Beschluß des Kapitäns wurde auch sogleich bekanntgegeben. Da standen wir denn an, um jene Papiere, die erst unsere große Hoffnung gewesen waren, wieder zurückzuerhalten, und eifrig jetzt zerrissen und verbrannten viele jene Akten stücke, um deren Inhalt sie sich früher so abgemüht hatten.
    Ich hatte den Eindruck gewonnen, daß Kapitän G. es gut mit uns meine und daß er wirklich alles tue, um den Transport durchzusetzen. Manche aber waren nach wie vor mißtrauisch. Der Anwalt und Abgeordnete F. hielt eine neue Rede, und obwohl ich und andere Besonnene dagegen sprachen, setzte er durch, daß eine neue Delegation zum Kommandanten geschickt wurde, eine Delegation von sieben Leuten diesmal, darunter er selber. Man hatte sich einen Vorwand zurechtgelegt, um die Absendung dieser neuen Delegation zu begründen. In der vorigen Nacht waren Lagerinsassen, die als Nazis bekannt waren, über einige von uns hergefallen, es hatte im Dunkeln Schlägereien, auch eine Messerstecherei gegeben, man fürchtete, ähnliches, Schlimmeres werde sich diese Nacht ereignen, man wollte um Vorsichtsmaßnahmen bitten. Es ging dem Dr. F. aber natürlich nicht darum. Vielmehr fand er, wir sprächen mit den Herren Offizieren viel zu höflich und gelassen; man müsse, wenn es ums Leben gehe, ganz andre Töne anschlagen, und er wolle, einmal vor dem Kapitän, diesem »Feuer unter den Arsch setzen«.
    Fürs erste aber war es der Kommandant, der andre Töne anschlug. Der Kapitän G., der uns jetzt empfing, war ein anderer G. als der, der heute morgen auf dem Hof mit mir gesprochen hatte. »Was wünschen Sie schon wieder«, rief er uns entgegen. »Verschonen Sie mich doch mit Ihrer ewigen Feigheit und Nervosität. Ich habe Ihnen doch schon erklärt: Ihr Zug geht morgen ab.«
    Von den Offizieren waren diesmal nur drei oder vier da. Wir aber waren sechs oder sieben, darunter eben der Abgeordnete F. Der ließ den alten Herrn S., der behutsam und begütigend auseinandersetzen wollte, daß wir diesmal um anderer Dinge willen vorgesprochen hätten, nicht zu Worte kommen, sondern ging sogleich daran, seinen Vorsatz auszuführen und dem Kapitän unmißverständlich die Meinung zu sagen. Der Anwalt und Abgeordnete F. sprach ein herrliches Französisch – hoffentlich spricht er es noch, hoffentlich ist er nicht in Frankreich umgekommen –, und er hielt in diesem seinem guten Französisch eine große Anklagerede. Er wies darauf hin, daß uns Frankreich aufs feierlichste Gastrecht versprochen hätte. Er wies darauf hin, daß er und viele andere sich freiwillig zum französischen Militärdienst gemeldet hätten.
    Das Feuer unterm Arsch des Kapitäns hatte aber nicht den Erfolg, den sich Dr. F. davon versprochen. Der Kapitän, gereizt, schlug zurück und erklärte, wir seien hypernervös, wir seien keine Männer, und, nun seinesteils pathetisch, dekretierte er, man müsse eben, wenn es Not tue, zu sterben verstehen. Dr. F., in großer Fahrt, erwiderte, wir alle hätten bewiesen, daß wir bereit seien, im Kampf gegen Hitler unser Leben zu lassen. Aber was wir nicht wollten, das sei ein sinnloser Tod, wir wollten nicht sterben als Opfer sinnloser französischer Bürokratie. Wir wollten nicht sterben einfach deshalb, weil die französischen Behörden nicht fähig seien, unsern Abtransport zu organisieren.
    »Schweigen Sie, schweigen Sie«, herrschte ihn der Kapitän an, er

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