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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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geschaffen. Die fragten sich, ob die Nazis ihnen wirklich etwas anhaben würden. Ob nicht vielmehr, wenn sie sich für gefährdet erklärten und abtransportieren ließen, gerade dieser Umstand sie den Nazis verdächtig mache. Keineswegs ausgeschlossen war es, daß die Nazis dann ihre Familienmitglieder als Geiseln nahmen und den Rest ihres Vermögens konfiszierten. Was sollten sie tun? Jämmerlich rangen sie mit sich selber und trugen einander und trugen mir ihre Zweifel vor.
    Wir andern aber, die wir von dem Verbleiben in Les Milles alles zu befürchten hatten, warteten hoffnungsvoll auf den Abtransport. Es blieb uns nichts anderes übrig. Versuche, auf eigene Hand zu fliehen, hatten sich als aussichtslos erwiesen. Einige waren in den letzten Nächten durchgegangen; sie waren nicht weit gekommen, an den Brücken über die Rhône, wenn nicht schon vorher, waren sie geschnappt worden. Wir warteten also.
    Unsre Zuversicht indes nahm trotz des Befehls zur schnellen Aufstellung der Listen rasch ab. Schon fragten sich einige, ob dieser Befehl nicht vielleicht doch nur eine Finte gewesen sei, uns zu beruhigen, uns hinzuhalten.
    Zudem wurden die Nazis im Lager immer frecher, und es zeigte sich, daß es unter uns mehr Nazis gab, als wir vermutet hatten. Ja, je näher die Hitler-Truppen kamen, um so zahlreicher wurden die Hitler-Leute auch unter uns. Schon hänselten sie unsere französischen Wachsoldaten, schon grüßten sie einander im Hof mit dem Hitlergruß.
    Für uns war das ein Beweis, wie sicher sie sich fühlten, wie nahe sie ihre Schützer, die Hitler-Leute, glaubten. Wird unser Abtransport noch rechtzeitig, wird er überhaupt erfolgen? Die schlechten Zeichen mehrten sich. Kriegsgerät wurde in die Höfe gebracht, mehr Maschinengewehre aufgestellt, außer unsern Soldaten waren jetzt auf einmal auch Garde Mobile da, Gendarme, die fremd und feindselig herumstanden und sich nicht mit uns in Gespräche einließen. Erfolgte diese Verschärfung unserer Bewachung, um uns zu schützen? Doch wohl kaum. Sie sollte sicher nur Verzweiflungstaten von unserer Seite verhindern.
    Unser Mißtrauen und unsere Erregung stiegen. Abermals baten wir den Kapitän um einen Empfang. Wir mußten warten, schließlich ließ er uns vor.
    Diesmal waren wir zu fünfen. Kapitän G. versicherte, er tue, was er könne, um uns zu retten. Der Generalstab habe generell beschlossen, diejenigen unter uns abzutransportieren, die gefährdet seien. Es gelte nunmehr, das Technische des Transports zu erledigen. Abgeschlossen seien die Listen noch nicht, aber es seien leider sehr viele, die abtransportiert zu werden wünschten, mehr als man vermutet habe. Das erschwere die notwendigen Vorbereitungen.
    Wir hörten ihm gespannt zu, doch unsere Gesichter drückten wohl nicht sehr viel Vertrauen aus. Einer fragte ungeschickt, ob wir nicht wenigstens unsere Papiere herausbekommen könnten und unser Geld. Der Kapitän, durch diese Mißtrauenskundgebung verärgert, wurde militärisch und erwiderte schroff, derlei Dinge müßten wir schon ihm überlassen. Auf welche Art man uns retten wolle, das sei einzig und allein Sache der Behörde. Niemals, erklärte er hochtrabend, habe Frankreich die Gesetze der Gastfreundschaft verletzt.
    Während wir noch mit ihm verhandelten, wurde ihm gemeldet, der Generalstab sei am Telefon. Er ging ins Nebenzimmer, einer seiner Offiziere wollte die Türe hinter ihm schließen. Der Kapitän aber – und das war eine menschliche Geste, die in mir die Erinnerung an manches Üble ausgelöscht hat, was er gegen uns geschehen ließ – der Kapitän also sagte: »Lassen Sie die Tür auf. Die Herren können ruhig hören, was ich zu sprechen habe.« Gespannt hörten wir zu. Es ging um die Frage, ob wir mit Camions nach Marseille gebracht werden sollten oder ob die für uns bestimmten Eisenbahnwaggons direkt nach Les Milles geleitet werden könnten. Soviel war gewiß: man war in Marseille wirklich im Begriff, einen Zug für uns zusammenzustellen.
    Uns schien das tröstlich. Unsere Kameraden aber, vor wenigen Stunden noch so zuversichtlich, waren jetzt aus ihrer Depression nicht mehr herauszureißen. Sie glaubten nicht mehr an den Abtransport. Einige gingen so weit, anzunehmen, das Telefongespräch, das der Kapitän vor unseren Ohren geführt, sei nur fingiert gewesen.
    Wie hoch waren noch die Chancen unserer Rettung? Zwölf Prozent schlug man an, zehn Prozent.
    Eine halbe Stunde später, als ich über den Hof ging, hielt der Kapitän mich an. Er

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