Der Teufel in Frankreich
bei sich hatte, mürrisch empfangen. Sie war, die Hilfsbereite, die Ungnade des Alten auf sich nehmend, in aller Eile den weiten, heißen Weg heraufgestiegen; sie hatte mir eine dringliche Botschaft zu überbringen, ein Briefchen eines meiner Freunde im Lager, das ihr unsre Soldaten überbracht hatten. Es waren im Lager Scheine ausgegeben worden für diejenigen, die sich berechtigt glaubten, in Frankreich Asylrecht in Anspruch zu nehmen. Diese Scheine mußten sogleich unterzeichnet und von dem Fordernden spätestens heute abend persönlich bei der Lagerleitung abgeliefert werden. Bekanntgegeben worden war, daß, wer das nicht tue, jeden Anspruch auf Schutz verliere. Der Kommandant, der natürlich um meine Abwesenheit wußte, hatte meinen Freund, den Absender des Briefchens, kommen lassen und ihm bedeutet, er rate mir dringlich, zurückzukommen und den Schein zu unterzeichnen. Wenn es eine Möglichkeit gebe, mich zu verständigen, dann möge man das tun. Der Kommandant werde, falls ich zurückkäme, ein Auge zudrücken. Das also teilte man mir auf dem Weg über die Wachsoldaten und über Madame L. mit.
Ich überlegte. Nur ungern verließ ich das stille, gastliche Haus des freundlichen Polizisten. Andernteils war die Aufforderung des Kommandanten, ins Lager zurückzukehren, vernünftig und gut gemeint. Wenn die Franzosen einen Vorwand suchten, sich ihrer Verpflichtung mir gegenüber zu entziehen, dann bot ihnen meine Flucht eine bequeme Handhabe.
Seufzend beschloß ich, ins Lager zurückzukehren. Ich verabredete mit Madame L., daß ich um drei Uhr bei ihr sein würde. Für diese Stunde erwartete sie die beiden Soldaten; in deren Gesellschaft wollte ich den Weg zurückmachen.
Der Polizist, nachdem Madame L. gegangen war, er zählte mir wieder die Geschichte von dem Hund und der Katze, zeigte mir die Narben der Kratzwunden, welche ihm die Katze beigebracht hatte, und äußerte sich, während er seine Katze streichelte, in herben Worten über Madame L. Ich sagte, daß Madame L. mir Nachricht gebracht habe, ich könne nach Sanary zurückkehren, und daß ich also nach dem Mittagessen aufbrechen würde. Der Polizist dachte scharf nach. Dann sagte er: »Sie gefallen mir, Monsieur, und ich möchte Ihnen gerne dienlich sein, aber der Preis, den ich für mein Haus gemacht habe, ist wirklich der äußerste.« Ich erwiderte, es sei ein sehr vernünftiger Preis und ich würde mir das Geschäft ernstlich überlegen.
Die Tschechin hatte ein Huhn gekauft. Sie wollte es auf österreichische Art backen; ein Backhendel zu bereiten, darauf verstand sie sich besonders gut. Sie hatte das Huhn bis morgen ablagern lassen wollen, heute war das Fleisch noch zu frisch. Gegen die Regel und gegen ihre Überzeugung entschloß sie sich, das Huhn noch vor meiner Abreise, also schon heute, zuzubereiten.
Während des Mittagmahls waren wir alle ein bißchen wehmütig. Die Tschechin war richtig unglücklich, sowohl wegen des Huhnes, das wirklich zäh und nicht geraten war, wie wegen meines unsicheren Loses im allgemeinen. Der Polizist, der die ganze Zeit ungewöhnlich einsilbig und grüblerisch geblieben war, erklärte, gemeinhin trage der Käufer eines Hauses die gesamten Umschreibungskosten; im speziellen Falle aber wolle er, um mir gefällig zu sein, fünfhundert Franken auf seinen Teil übernehmen.
Dann packte ich meine Aktenmappe, verabschiedete mich mit ehrlicher Herzlichkeit und sehr dankbar von den drei gutmütigen Leuten, ging ein letztes Mal, die Aktenmappe unterm Arm, durch die heiße Stadt, erstieg ein letztes Mal die schmale, dunkle Treppe, die zur Wohnung Madame L.s führte.
Ich fand das Zimmerchen gepackt voll. Der joviale Herr B. war da, der noch immer keine Gelegenheit gefunden hatte, nach Montpellier zu kommen, und noch immer bei Madame L. nächtigte. Die beiden Soldaten waren da, die französische Freundin des Berliner Rechtsanwalts, die Nervöse mit den Weinkrämpfen, Madame L., ich selber. Wir hockten einer auf dem andern, Bett, Stühle, Tisch, Boden waren besetzt.
Madame L. diktierte den beiden Soldaten eine kleine Liste von Dingen, die sie ihrem Mann ins Lager bringen sollten. Dr. L., ein Arzt von Namen, hatte während des ersten Weltkrieges die sanitäre Einrichtung mehrerer Gefangenenlager organisiert und überwacht; er hatte seine Frau gebeten, ihm gewisse Präventivmittel gegen die um sich greifende Dysenterie zu schicken. Madame L. diktierte ihre Liste von der Küche aus; dort, immer diktierend, bereitete sie ein
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