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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gericht für ihren Mann, der selber unter den Nachwehen eines Dysenterieanfalls zu leiden hatte.
    Die Soldaten überprüften die Liste. Sie erboten sich, auch für mich, wenn ich wirklich wieder ins Lager hinauf wollte, noch ein paar Dinge zu besorgen. Sie wollten mit dem Autobus um halb fünf zurückfahren und mich mitnehmen. Ich schlug ihnen vor, sie sollten eine Taxidroschke besorgen, dann würde ich sie mit hinaufbringen. Das nahmen sie gerne an.
    Sie gingen. Auch Herr B. und die Nervöse entfernten sich. Madame L., die kluge Französin und ich sprachen noch einmal meine Situation durch. War nicht die Aufforderung des Kommandanten, ins Lager zurückzukehren, vielleicht doch nur eine Finte? Eine deutsche Kontrollkommission war in Nîmes, selbst die Zeitungen berichteten darüber; auch lagen verbürgte Nachrichten vor, daß deutsche Kommissionen in Interniertenlagern erschienen waren. War der Kommandant wirklich ein wohlwollender Mann? Oder wollte er einfach einen Internierten, dessen gewaltsame Wiedereinbringung Auf sehen erregt hätte, ohne Aufsehen ins Lager zurückschaffen?
    Die französische Dame war nochmals auf der Präfektur gewesen. Dort hatte sie den Eindruck gewonnen, daß die Behörden es gut mit uns meinten und uns vor den Deutschen schützen wollten. Man hatte ihr auseinandergesetzt, wir führen besser, wenn wir in unsern Lagern blieben. Wenn wir nämlich türmten und uns illegal im Lande herumtrieben, dann würden wir unausbleiblich von unverständigen Gendarmen gefaßt und in die jetzt besonders übeln französischen Gefängnisse eingeliefert. Uns im Ernstfall einen Wink zu geben, uns verschwinden zu machen, sei viel schwerer in einem Gefängnis als in einem Lager.
    Alles in allem war es schon klüger, ich ging wieder nach San Nicola.
    Die Soldaten kamen zurück. Sie hatten alles treulich besorgt. Des weiteren hatten sie freundlich und klug mit dem unten wartenden Taxichauffeur einen vernünftigen Fahrpreis vereinbart. Gemeinhin nämlich wurde Fahrgästen, die man als Fremde oder gar als Internierte erkannte, ein hoher Überpreis abverlangt. Ihnen, den Soldaten, hatte der Chauffeur einen Preis gemacht, der zwanzig Franken unter dem üblichen lag.
    Dann also fuhr ich mit den beiden hinauf. Wir führten vernünftige Gespräche über Krieg und Frieden und über unsere persönlichen Angelegenheiten, über unsre Aussichten und Sorgen für die nächste Zukunft. So, in guter Kameradschaft, gelangten wir in die Nähe des Lagers.
    An einer geeigneten Stelle, von der aus wir noch etwa zwanzig Minuten zu gehen hatten, ließen wir den Wagen halten. Die Soldaten erlaubten nicht, daß ich den Korb mit meinen Einkäufen selber trug, sie bemächtigten sich seiner und erklärten, sie würden ihn mir im Lager wieder zustellen. Einen Teil des Weges konnten wir noch gemeinsam gehen, dann trennten wir uns. Sie nahmen die Hauptstraße, welche dem Eingang des Lagers zuführte, während ich mich in den Wald schlug.

    Langsam durch das kleine Gehölz ging ich dem Lager zu. Schon roch ich den vertrauten Gestank. Ich gelangte an den Stacheldraht, ich kroch durch auf die gewohnte Weise.
    Da war ich also wieder im Lager, das ich mit so viel Hoffnung und Angst verlassen hatte. Viel gewonnen hatte ich nicht mit meinem Ausflug, aber ich hatte fünf Tage der Stille und der Sammlung gehabt, ich hatte mich einmal in Ruhe mit mir selber beraten können. Unter allen Umständen war es so besser gewesen, als wenn ich die Zeit im Lager verbracht hätte.
    Ich wurde herzlich begrüßt, eifrig befragt. Der Freund, der mir die Botschaft des Kommandanten übersandt hatte, drängte darauf, ich solle mich sogleich im Büro melden, mir einen jener Scheine geben lassen, ihn unterzeichnen.
    Ein sehr junger Leutnant empfing mich. »Sie haben uns viel Sorgen gemacht, Monsieur«, sagte er. »Eigentlich sind die Listen schon geschlossen. Ich sollte Ihren Schein gar nicht mehr annehmen.« – »Aber Sie nehmen ihn an, Herr Leutnant?« fragte ich. »Natürlich«, sagte er.
    Dann machte ich mich auf, mein früheres Zelt zu suchen. Es waren mittlerweile viele Flüchtlinge zurückgekommen, eine neue Einteilung war vorgenommen worden, ich fand meine frühere Gruppe nicht sogleich wieder. Wie ich so suchte, forderten mich zwei ältere Herren auf, ich solle doch in ihre Zeltgemeinschaft kommen. Es sei jetzt beinahe jedes Zelt voll belegt, mein früheres vermutlich auch; in ihrem Zelt aber seien sie nur elf Mann, und sie würden es mir so angenehm wie möglich

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