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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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nichts mehr normal und man könne heute nicht wissen, was einem morgen passiert. Während er so unverbindlich daherredete, sah er mich aus seinen schlauen Augen an, und in diesen schlauen Augen war alles zu lesen, was er dachte. Daß er mir nämlich natürlich kein Wort glaube, daß er vielmehr genau wisse, was los sei, daß er mir gerne helfen wolle, daß er indes nicht sicher sei, ob meine Argumente bei dem Alten verfangen würden, von dem er und die Tschechin abhängig seien. Laut werden ließ er nichts von dem allen, sondern er bat mich nur, zu warten, und er ging ins Haus, um Monsieur S. Mitteilung zu machen, daß ich wieder da sei.
    Da hockte ich also wieder auf den steinernen Stufen vor dem Haus des Polizisten, das mir so lieb geworden war. Aber diesmal spürte ich durchaus nicht das Groteske der Situation, in mir war nichts als die Angst, ob ich Asyl finden würde. Der Levantiner schien mir gar nicht zuversichtlich, und er hatte sicher gute Gründe. Der alte S. hatte seine Launen, er konnte störrisch sein, das hatte ich schon bemerkt. Sein Widerwille zum Beispiel gegen Madame L. wegen der Geschichte mit dem Hund war unbesiegbar, und die Tschechin hatte ihre Kaffeestunden mit Madame L. aufgeben müssen. Es war durchaus möglich, daß der Alte mich wegwies, und es war mir ein scheußlicher Gedanke, zurückzumüssen entweder in das lärmende, stinkende Lager oder in die heiße Stadt Nîmes, in die wimmelnden Straßen, Angst im Herzen vor jedem Polizisten, herumirrend und grübelnd, wo ich wohl schlafen könne.
    Die Tschechin kam heraus. Es war, wie ich gefürchtet hatte: in dem Alten war polizeiliches Mißtrauen wachgeworden. Doch die gutmütige Frau wollte mir helfen und gab mir einen Rat. Der Alte hatte einen Schwiegersohn, der war Staatsanwalt in Tunis. Wenn nun Tunis von den Italienern besetzt werden sollte, dann fürchtete der Alte, werde sein Schwiegersohn davongejagt werden. Ängstlich in Gelddingen wie so viele Franzosen, wollte Monsieur S. jetzt schon für diesen Fall vorsorgen und spielte mit dem Gedanken, seine Besitzung hier zu verkaufen. Wie wäre es, wenn ich ihm sagte, das Haus und der Garten gefielen mir, und wenn ich ihn fragte, ob er den Besitz nicht vielleicht veräußern wolle?
    Da kam auch schon der Alte. Er sah finster drein und dachte angestrengt nach. »Zeigen Sie mir noch einmal Ihr Papier«, sagte er und war ganz Polizist. Lange beschaute er sich das Papier. »Ich begreife nicht«, sagte er, »wieso sie Ihnen darauf keinen Passierschein geben. Ich gehe jetzt selber mit Ihnen hinunter in die Stadt, ich kenne alle Beamten, den Inspektor X. und den Inspektor Y., und ich möchte sehen, ob sie Ihnen den Passierschein verweigern, wenn ich mitkomme.« Die Ämter seien geschlossen, wandte ich ein, ohne Schwung. Doch der Alte bestand. »Die Herren«, sagte er, »waren alle schon bei mir zu Gast. Wir können ohne weiteres in ihre Privatwohnung gehen.« Ich sagte, ich würde gerne noch die Nacht über bei ihm bleiben. In meinem Sanary könne ich ohnedies nur schwer unterkommen, da mein Haus, wie ich in der Stadt gehört hätte, mit elsässischen Flüchtlingen belegt sei. Seine Besitzung gefalle mir, die Stadt Nîmes gefalle mir, ja, ich hätte schon daran gedacht, ihn zu fragen, ob er nicht vielleicht die Besitzung verkaufen wolle. Er verstand nicht gleich, ich mußte meinen Satz wiederholen. Ich tat es mit schlechtem Gewissen; es war mir nicht lieb, den Alten anschwindeln zu müssen, noch dazu auf so plumpe Art. Der Levantiner und die Tschechin standen schlau und gespannt daneben. Man sah, wie es in dem Alten arbeitete. »Also bleiben Sie«, sagte er schließlich. »Aber morgen oder übermorgen gehe ich mit Ihnen auf die Präfektur, und dann werden wir ja sehen, ob sie Ihnen den Passierschein nicht geben. Es ist eine schöne Besitzung«, fügte er noch hinzu, »und ich habe viel Arbeit hineingesteckt.«
    Die Tschechin bereitete das Abendessen. Wir aßen lange und tranken gemächlich. Der Alte rühmte den Salat und das Gemüse, er hatte es selber gezüchtet. Dann erzählte er von seinem Schwiegersohn, dem Staatsanwalt, von der Stadt Tunis und von seinen Erlebnissen in Tunesien, und ich hörte interessierten Gesichtes zu. Dann zeigte er mir seine Hühner und seine Stallhasen, erörterte ausführlich, wieviel Arbeit er in diesen seinen Besitz gesteckt habe, und schließlich, mit sichtlichem Anlauf, schloß er, wenn überhaupt, dann könne er den Besitz nicht unter soundsoviel tausend Franken

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