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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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verkaufen; es war eine rührend bescheidene Summe. Ich schämte mich, als ich erwiderte, über den Preis würde sich reden lassen.
    Die Gemütserregung hatte den Alten müde gemacht, er zog sich früh zurück. Ich ging mit dem Levantiner noch in der Stille des nächtlichen Gartens spazieren. Der Levantiner politisierte. Er meinte, es sei vollkommen ausgeschlossen, daß die Regierung des unbesetzten Frankreich jemals ihre Innenpolitik den Grundsätzen der Nazis anpassen werde. »Niemals«, erklärte er und wurde, der sonst so skeptische und ruhige Herr, pathetisch, »niemals wird es in Frankreich Judengesetze geben wie die euern.« Als später die Vichy-Regierung Judengesetze erließ, die denen von Nürnberg entsprachen, mußte ich an meinen Levantiner denken.
    Wir gingen schlafen. Da mein Karl mir keinen Pyjama mitgegeben hatte, suchte mir die Tschechin einen aus dem Besitz des Polizisten heraus.
    Am nächsten Morgen las ich in der Lokalzeitung, daß ein Richter Messia die Deutschen X., Y. und Z. zu Gefängnisstrafen verurteilt habe, weil sie ohne Papiere aufgegriffen worden seien, und daß jetzt jeden Tag Ausländer ohne solche Papiere aufgegriffen würden. Davon abgesehen aber verlief mir dieser Tag still und schön, es wurde ein richtiger Ruhetag. Ich ging nicht aus, ich genoß meinen Garten, ich schlenderte darin herum, machte mir ein paar Aufzeichnungen, schrieb ein paar Briefe. Die Tschechin nahm sich meiner mütterlich an, sie ging hinunter in die Stadt und besorgte mir Wäsche, Briefmarken, Zeitungen.
    Dann machte sich der alte Polizist wieder an mich heran, um zu schwatzen. Mein Entlassungsschein, die Tatsache, daß ich im Lager gewesen war, hatte offenbar die Erinnerung an gewisse alte Erlebnisse in ihm geweckt. Er war, erzählte er, beim Ausbruch des ersten Weltkrieges in der Stadt Tunis stationiert gewesen. Auch damals waren alle Deutschen interniert worden. Einigen indes war es geglückt, auf ein italienisches Schiff zu entkommen – Italien war damals noch nicht im Krieg –, auf die »Città de Messina«, die nach Palermo fahren sollte. Er nun, der Polizist, hatte Auftrag, diese Deutschen vom Schiff herunterzuholen. Er kannte ihre Kabinennummern, aber das Schiff war voll, die Deutschen ließen sich nicht finden, der italienische Kapitän drängte auf Abfahrt, man wollte die Italiener nicht verstimmen, man konnte die Suche nicht zu lange fortsetzen. Da kam ihm, dem Polizisten, eine gute Idee. Er ließ das Gepäck der gesuchten Deutschen wieder an Land bringen. Mehrere der Deutschen fielen darauf herein, gingen wieder an Land, reklamierten ihr Ge päck, wurden gefaßt. Einige freilich waren schlau, ließen ihr Gepäck Gepäck sein, gingen nicht mehr an Land, entkamen.
    So erzählte der Polizist, und diesmal kostete es mich nicht viel Mühe, seiner Erzählung interessierten Gesichtes zuzuhören. Ich selber nämlich war einer jener Deutschen, die damals in Tunis interniert gewesen und auf das italienische Schiff entkommen waren. Ich selber war einer von den vieren, die ihr Gepäck preisgegeben und es vorgezogen hatten, in ihrem sichern Versteck auf dem Schiff zu bleiben.

    War dieser Tag in guter Ruhe verlaufen, so ließ sich der nächste um so bewegter an.
    Schon des Morgens, als ich beim Frühstück saß, stürmte die Ängstlich-Energische herein. Sie hatte einige belastende Papiere – sie waren durchaus nicht belastend – im Hause des Polizisten untergebracht. Jetzt, infolge der Anwesenheit der deutschen Kommission, war ihr das noch immer zu gefährlich, und sie wollte die Papiere zurückhaben und vernichten. Als sie mich gar sah, geriet sie in Panik. Was? Ich war immer noch da? Die deutsche Kommission war doch in der Stadt. Hatte sie, die Ängstlich-Energische, mir nicht durch Madame L. strenge Weisung gegeben, sogleich aus dem Haus des Polizisten zu verschwinden und für immer, damit sie, die Ängstlich-Energische, nicht kompromittiert werde? Mit zornigen Augen aus ihrem Coleoni-Gesicht blitzte sie mich an. Wütende Worte, sowie der Polizist den Rücken wandte, zischte sie mir zu. Als sie merkte, daß beides keinen starken Eindruck machte, forderte sie heftig, ich solle ihr mindestens sogleich für ihren Mann, den sie in den nächsten Tagen zurückerwarte, eine dringliche Empfehlung geben, damit endlich seine Angelegenheit beim amerikanischen Konsulat vorwärtsgehe. Ich tat es, aber sie grollte weiter.
    Bald nachdem sie abgezogen war, kam Madame L., von dem Polizisten, wiewohl sie ihren Hund nicht

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