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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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da. Die Ärzte gaben uns einfach auf.

    Viele Soldaten liefen fort, sie wollten nicht in dieser Pesthölle bleiben. Neue Ärztekommissionen kamen, schüttelten den Kopf, ließen die Latrinen mit Chlor überschütten, meinten, es sei zum Weinen, ordneten an, daß einige Dutzend von uns in Hospitäler überführt würden. Das war alles, nichts Durchgreifendes geschah. Immerzu litten reihum ein- bis zweihundert unter uns an Dysenterie. Wer sie noch nicht hatte, rechnete mit fatalistischem Gleichmut darauf, morgen davon befallen zu werden oder übermorgen.
    Es waren unter uns viele gute Ärzte, einige von europäischem Namen. Dr. L., Madame L.s Mann, hatte – ich sagte es schon – während des ersten Weltkrieges mehrere Gefangenenlager ärztlich betreut, er galt als Fachmann für die sanitäre Organisierung solcher Lager. Er setzte der Lagerleitung auseinander, daß man mit Aufwendung geringer Mittel das Übel ausrotten könnte. Der Kommandant, die französischen Ärzte hörten ihm höflich zu und erwiderten, leider sei auch dieses Geringe nicht zu beschaffen.
    Wenigstens trat die Krankheit unter uns in milder Form auf. Todesfälle gab es nur wenige. Gewöhnlich war es so, daß der Kranke in den ersten Tagen sehr hohes Fieber hatte, das indes rasch nachließ. Zurück blieb ständiger, blutiger Durchfall und eine ungeheure Schwäche. Die Kranken sahen erbärmlich aus, abgezehrt, sie konnten sich kaum auf den Beinen halten.

    Die dritte Nacht

    Zu mir kam die Krankheit so.
    Ich hatte mittags noch gut gegessen. Nachmittags hatte ich einen Spaziergang gemacht. Der Tag war dunstig schwül, die Moskitos, die sonst erst des Abends ka men, quälten uns heute schon vom Morgen an. Des Nachmittags hatte ich mich mehrmals in die Zone des Gestankes begeben müssen, gegen Abend verspürte ich Schwäche und Schwindel. Doch wir hatten, Herr Wolf und ich, auf dem Weg über den orthodoxen Händler eine Flasche besonders guten Weines aufgetrieben, wir hatten den Schriftsteller R. zum Abendessen geladen, von dem wir wußten, er werde die Qualität dieses Weines zu schätzen wissen. Ich wollte kein Spielverderber sein. Ich gab es mir selber nicht zu, daß ich krank sei, und setzte mich mit den andern zu Tisch. Bald indes hielt ich es nicht mehr aus und zog mich zurück ins Zelt.
    Dort hatte man das übliche Abendfeuer gegen die Moskitos angezündet, und der Rauch, der das ganze Zelt füllte, quälte mich. Aber ich konnte einfach nicht länger stehen, ich mußte mich hinlegen, ich legte mich in den Rauch. Karl kam, um die Vorbereitungen für die Nacht zu treffen. Mein Zustand gefiel ihm nicht. Er rief einen unserer Ärzte, den jungen Österreicher Dr. L. Der machte ein bedenkliches Gesicht, gab mir eine Medizin, fürchtete indes, es werde zu spät sein.
    Trotz des Rauches und trotz des Lärms fiel ich in einen dumpfen Halbschlaf. Ich sah meine Zeltgenossen kommen, sich ausziehen, sich hinlegen. Mein Fieber stieg. Die grünen und roten Gazeschleier, mit denen sich die Männer zum Schutz vor den Moskitos die Gesichter bedeckten, die flackerige Beleuchtung, der noch immer ziemlich volle, rote Mond, das breughelhafte Durcheinander ringsum, alles schwamm mir ineinander. Ineinander schwammen mir die Umrisse der beiden Kantoren, des bärtigen, erdgeisthaften, rothaarigen Anwalts, des alten zimperlichen Richters, des gutmütigen, dicklichen Herrn Wolf. Ich litt kläglich unter dem Fieber, unter meiner Schwäche, unter dem Lärm ringsum.
    Trotz aller Schwäche mußte ich hoch, meine Eingeweide peinigten mich, ich mußte hinaus in die heiß dampfende Nacht. Die Zeltstadt hindurch wankte ich der Latrine zu, hockte nieder, Blut und Kot kam. Dann schleppte ich mich wieder zurück. Der Weg war hart, der Weg war lang, wann werde ich wieder in meinem Zelte sein? Endlich war ich angelangt, kroch hinein, fiel erschöpft auf mein Stroh.
    Da lag ich in großer Not. Von außen kam immer noch Lärm, und rings um mich die Männer schnarchten, stöhnten, furzten. Ich glaubte nicht, daß ich mich je erholen würde, ich war schwach auf den Tod, das Fieber verwirrte meine Gedanken, ich sehnte mich danach, zu sterben.
    Bilder tanzten um mich herum. »Tanzten« ist nicht das richtige Wort, sie taumelten, sie flogen unbestimmten Fluges wie Fledermäuse. Es waren Fledermäuse. Es waren keine Fledermäuse, sie waren überhaupt nicht wirklich, sie waren von Goya.
    Es war Wurst, ob sie wirklich waren oder von Goya. Sie waren Dreck, sie waren Scheiße. Alles war Dreck. Alles

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