Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
genüsslich. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und seufzte wohlig. „Weißt du, Friedrich, es hat schon seine Gründe, warum ich dich noch so gerne besuche, nach all den Jahren.“
Gutenberg lächelte und reichte Erik ein Glas und eine Zigarre. Erik nahm beides dankend entgegen. Für eine Weile saßen sie schweigend vor dem Kamin, rauchten, nippten an ihren Gläsern und schauten ins Feuer. Erik fühlte sich so wohl , wie seit Wochen nicht mehr. Gutenberg brach das Schweigen als erster. „Sie sagten, Wrede habe sich bei der Renovierung des Klassenraums verletzt?“
„Ja.“
„Kommen Sie gut voran? Was macht der Unterricht?“ Gutenberg trank einen Schluck von seinem Weinbrand.
„Ich konnte noch keine einzige Stunde halten. Wie Sie wissen, kamen einige Dinge dazwischen.“
Gutenberg nickte. „Wie viele Kinder unterrichten Sie?“
Erik dachte kurz nach. Der Pfarrer hatte ihm eine Liste gegeben, aber er konnte sich nicht an die genaue Schülerzahl erinnern. „Zwölf, glaube ich.“
„Aha. Das ist wenig. Alle Klassenstufen?“ Gutenberg sah ihn aufmerksam an. Etwas in seinem Blick kam Erik seltsam vor.
„Warum fragen Sie?“
„Reine Neugier.“
„Wie alt sind Ihre Schüler?“, fragte Wagner. Er lächelte, aber da war wieder dieses kalte Stechen in seinen Augen.
Erik versuchte, sich die Liste des Pfarrers ins Gedächtnis zu rufen. „Der Jüngste ist dreizehn, glaube ich. Der Älteste müsste sechzehn oder siebzehn sein.“
„Der Jüngste ist dreizehn“, wiederholte Gutenberg und strich sich mit der Hand übers Kinn. Er tauschte einen Blick mit Wagner, dann sah er Erik aus zusammengekniffenen Augen an. „Wo ist die erste bis vierte Klasse abgeblieben? Und wo die Vorschulkinder?“
Erik rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her. Er fühlte sich plötzlich von den beiden ins Kreuzverhör genommen. „Ich weiß es nicht.“
„Haben Sie dort oben jemals ein Kind gesehen, das jünger als, sagen wir, dreizehn Jahre war? Ein Kleinkind vielleicht? Einen Säugling?“
„Nein.“ Erik schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Kinder gesehen. Jugendliche, ja, Dreizehn- oder Vierzehnjährige, aber keine kleinen Kinder.“
„Und kommt Ihnen das nicht seltsam vor?“
„Es kam mir nicht seltsam vor, weil ich nicht wirklich darauf geachtet habe.“ Erik überlegte. „Aber natürlich ist es merkwürdig.“
Gutenberg und Wagner tauschten erneut einen vielsagenden Blick.
„Merkwürdig, ja.“ Wagner lehnte den Kopf zurück, schloss die Augen und ließ langsam Rauch aus den Nasenlöchern entweichen. „Sagen Sie, Herr Strauss: Was wollten Sie auf dem Gletscher?“
Die Frage traf Erik unvorbereitet. Er richtete sich in seinem Sessel auf und räusperte sich. „Ich war noch nie auf einem“, sagte er dann. „Vielleicht war es reine Neugier. Warum fragen Sie?“
„Nun, ich selbst war nur einmal auf dem alten Grimbold. Wir haben nach einem Vermissten gesucht, der, nebenbei gesagt, später bei seiner Geliebten wieder aufgetaucht ist.“ Für einen Moment huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Aber ich käme nicht einmal im Traum auf die Idee, freiwillig dort hochzusteigen. Um ehrlich zu sein, der Gletscher macht mir eine Heidenangst. Ich glaube nicht an das Geschwätz der Waschweiber, die jedem, der es hören will, und auch jedem, der es nicht hören will, erzählen, dass dort oben der Teufel umgeht. Aber die Geräusche des Windes in den Spalten, das Krachen des Eises und die Gewissheit, dass ein falscher Schritt der letzte sein könnte, reichen völlig aus, um mich hier unten im Tal zu halten, wo der Boden fest und sicher ist.“ Er schwenkte den Weinbrand im Glas.
„Ich schließe mich an“, sagte Gutenberg. „Was hat Sie dort hochgetrieben?“
„Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, dort oben zu stehen. Auf dem Überhang, 600 Meter über dem Dorf.“
„Auf dem Überhang.“ Wagner schüttelte den Kopf und nahm einen langen Zug von seiner Zigarre. „Der letzte Ort, an dem ich sein möchte. Es ist ein Wunder, dass das gottverdammte Ding noch nicht runtergekommen ist“, murmelte er, und Rauchschwaden quollen aus seinem Mund.
„Korrigieren Sie mich bitte, wenn ich mich irre, Herr Strauss“, sagte Gutenberg. „Aber sagten Sie nicht zu mir, der Gletscher übe eine seltsame Faszination auf Sie aus?“ Er schob seine Brille mit dem Zeigefinger höher.
Erik massierte sich die Stirn. „Ja . Schon möglich.“ Dann trank er sein Glas leer und schenkte sich nach.
„Aha. Können
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