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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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verborgen hielt. „Am Montag beginnt der Unterricht.“
    „Und?“
    „Was haben Sie da in der Hand? Hinter Ihrem Rücken. Ist das ein Messer?“
    „Ein Revolver.“
    Erik trat einen Schritt zurück. „Dann legen Sie ihn verdammt noch mal weg.“
    „Machen Sie jetzt gemeinsame Sache mit denen?“
    „Ich weiß nicht, was Sie meinen.“
    „Das wissen Sie ganz genau.“ Sonnleitner holte die Hand hinter seinem Rücken hervor. Er hatte nicht gelogen. „Was wollen Sie hier? Sie haben zehn Sekunden.“
    „Sind Sie verrückt geworden? Packen Sie das Ding weg!“
    „Die Zeit läuft.“
    „Ich wollte Sie an den Unterricht erinnern, das ist alles. Werden Ihre Kinder kommen oder nicht?“
    „Oh, ich denke nicht. Die Zeit läuft noch immer.“
    „Wovor haben Sie solche Angst?“
    Sonnleitner antwortete nicht.
    „Ich dachte, wir wären auf derselben Seite“, sagte Erik leise. „Aber ich habe mich wohl geirrt.“
    „Die Zeit ist um.“ Sonnleitner drückte ihm den Lauf des Revolvers ins Gesicht.
    Erik roch Öl und Metall. Er spürte keine Angst. „Lecken Sie mich am Arsch, Sie Spinner“, sagte er so ruhig, wie es ihm möglich war. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging auf das Gartentor zu. Ein Teil von ihm wartete auf den Knall, erwartete den Einschlag des Projektils, das ihn von den Füßen schleudern und das Leben aus ihm herausreißen würde. Aber ein anderer Teil von ihm war sich absolut sicher, dass Felix Sonnleitner niemals abdrücken würde. Und dieser Teil behielt Recht.
    Hinter ihm ertönte die Stimme einer Frau. „Herr Strauss, warten Sie! Bitte. Warten Sie.“ Sie klang ängstlich.
    Erik blieb am Gartentor stehen und drehte sich um. Christa Sonnleitner hatte eine Hand auf den Arm ihres Mannes gelegt. Der Lauf des Revolvers deutete zu Boden.
    „Verzeihen Sie meinem Mann“, sagte sie. „Er ist in letzter Zeit nicht mehr er selbst.“
    „Da ist er nicht allein“, murmelte Erik.
    „Selbstverständlich werden Klara und Albert zur Schule kommen“, sagte Christa Sonnleitner. „Richten Sie dem Pfarrer aus, dass alles in Ordnung ist.“
    „Ich bin nicht der Laufbursche des Pfarrers.“
    „Natürlich nicht“, sagte sie leise.
    Ihr Bauch zeichnete sich unter dem Kleid ab wie eine straff bespannte Trommel. „Wie geht es dem Baby?“, fragte Erik.
    Sie erstarrte. Felix Sonnleitner schüttelte ihre schlaffe Hand ab und hob den Revolver. „Diesmal werde ich nicht bis zehn zählen“, sagte er. „Verschwinden Sie, Lehrer!“
    „Was wird mit dem Baby geschehen, nachdem Sie es zur Welt gebracht haben?“, rief Erik und ging langsam rückwärts.
    Christa Sonnleitner begann zu schluchzen. Felix legte einen Arm um seine Frau. Er warf Erik einen Blick zu, der so voller Groll und Schmerz war, dass Erik zusammenzuckte.
    „Wenn Sie sie anrühren, bringe ich Sie um.“
    Erik ging weiter rückwärts. Er schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, was er sagen sollte. „Ich bin auf Ihrer Seite“, rief er schließlich. „Kapieren Sie das nicht?“
    Felix Sonnleitner sah ihn finster an. Irrsinn flackerte in seinen Augen. Schließlich schob er seine Frau ins Haus zurück und schlug die Tür hinter sich zu.
    Erik stand allein vor dem Gartentor und versuchte sein Zittern unter Kontrolle zu bringen. Einige Male atmete er tief durch, bemüht, einen Sinn in Sonnleitners Verhalten zu erkennen. Er sah zurück zum Haus. Das runde Gesicht von Sonnleitners Sohn Albert drückte sich gegen die Scheibe, fett und rund und weiß wie ein Vollmond. Albert lachte und winkte. Erik hob langsam eine Hand. Aber sie fühlte sich schwer und müde an, und so ließ er sie bald wieder sinken.
     
    Vom Hof der Sonnleitners aus arbeitete er sich systematisch durch das ganze Dorf vor. Er ging von Haus zu Haus und klopfte an jede Tür. Wo ihm geöffnet wurde, grüßte er freundlich und per Handschlag. Er sei Erik Strauss, der neue Lehrer von Thannsüß. Viele kannte er bereits, die meisten erwiderten seinen Gruß höflich.
    Er glich ihre Familiennamen mit den Schülernamen auf der Liste ab, die ihm der Pfarrer gegeben hatte. Wenn der Name nicht auf der Liste stand, fragte er nach schulpflichtigen Kindern. Er erntete Kopfschütteln und ausweichende Blicke, und mehr als einmal wurde ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Stimmte ein genannter Name mit seiner Liste überein, bohrte er weiter. Am Montag beginne der Unterricht. Ob die Kinder sich denn freuten? Ob sie gut vorbereitet seien? Ob der betreffende Schüler jüngere Geschwister

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