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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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„Ich muss jetzt los. Wiedersehen.“
    Benedikt wandte sich ohne ein weiteres Wort ab, schob Lothar beiseite und betrat das Haus. Erik warf Lothar einen letzten Blick zu. Lothar schüttelte stumm den Kopf. Dann schlug er die Tür hinter sich ins Schloss. Erik machte sich auf den Rückweg zum Gästehaus. Die Gedanken in seinem Kopf rasten. Mit gesenktem Kopf stemmte er sich gegen den auffrischenden Wind.
     
    Später ging Erik ins Postamt hinüber , um mit Gutenberg zu telefonieren. Kathi Brechenmacher kam hinter dem Schalter hervor und umarmte ihn wie einen alten Freund. Er war froh, als sie endlich von ihm abließ. Ihr Lächeln jagte ihm kalte Schauer über den Rücken.
    Sie erkundigte sich nach seinem Gesundheitszustand, deutete auf sein verstümmeltes Ohr und sagte, was geschehen sei, tue ihr unendlich leid.
    E r nickte und sagte ihr, dass er telefonieren müsse.
    Sie sagte, es sei schon spät und sie wolle gleich zu Bett gehen.
    Aber er best and darauf.
    Schließlich stellte sie die Verbindung nach Bruch her. Er zwängte sich in die muffige Glaskabine und hielt sich den schweren Hörer ans Ohr. Nach dem zehnten Läuten hob Gutenberg ab.
    „Praxis Gutenberg“, sagte die vertraute Stimme an Eriks Ohr. „Sie rufen außerhalb der Öffnungszeiten an, ich hoffe, es ist wichtig.“
    „Doktor Gutenberg“, sagte Erik. „Ich bin es, Strauss.“
    „Aha, Herr Strauss! Freut mich, von Ihnen zu hören. Wie geht’s unserem Patienten?“
    „Wrede ist über den Berg, glaube ich.“
    „Schön. Wie man’s nimmt. Wie geht’s den Kindern?“
    „Deshalb rufe ich an“, sagte Erik. „Es gibt keine.“
    „Das dachte ich mir schon. Erzählen Sie.“
    Erik rekapitulierte seinen Rundgang durchs Dorf. Er erzählte nichts von der Verzweiflung, nichts von der wachsenden Wut, die er verspürt hatte, weil er nicht daran denken wollte. Er schluckte beides hinunter.
    „Genau, wie wir vermutet hatten“, sagte Gutenberg. „Haben Sie schon mit dem Pfarrer gesprochen?“
    „Ja, habe ich. Er hat mir eine wirre Geschichte erzählt von einem Fieber, das die Kinder dahingerafft hätte. Ich glaube ihm kein Wort.“
    Erik blickte auf und zuckte zurück. Kathi Brechenmacher stand direkt vor der Kabine und lächelte ihn an. Er erwiderte ihren Blick ausdruckslos. Kathi bückte sich und hob einen imaginären Fussel vom Boden auf. Nach einer Weile ging sie weg und stellte sich wieder hinter den Schalter. Sie sah zu ihm herüber, und das Lächeln auf Ihrem Gesicht wirkte wie eingemeißelt. Erik versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Entschuldigung. Was haben Sie gesagt?“
    „Ich sagte, Sie sollten dem alten Mistkerl grundsätzlich nichts glauben. Und passen Sie gut auf, was Sie ihm preisgeben“ Gutenberg schien kurz zu überlegen. „Sie haben ein Radio da oben?“
    „Ja.“
    „Hm. Dann weiß er sowieso von dem neuen Leichenfund. Aber er muss ja nicht unbedingt wissen, dass Sie es auch wissen. Und vor allem, welche Schlüsse Sie daraus ziehen. Wir werden seine Geschichte überprüfen.“
    „Wie steht’s bei Ihnen? Schon was rausgefunden?“
    „Ich war noch einmal im Gemeindearchiv von Bruch und habe die Geburtenregister der Umgebung durchsucht. Es gibt ein Register für Thannsüß. Aber die letzte Eintragung ist auf den 13. September 1943 datiert. Elf Uhr vormittags, um genau zu sein. Michael und Silvia Kleinschmidt, Zwillinge.“
    „Die Kinder des Schmieds. Und danach nichts mehr?“
    „Gar nichts.“
    „Aber wie hängt das alles zusammen?“, fragte Erik.
    „Das werden wir schon noch herausfinden. Im Moment tappen wir genauso im Dunkeln wie Sie.“ Gutenberg machte eine kleine Pause, ehe er fortfuhr. „Sie erinnern sich, dass wir über den April 1944 sprachen? Über die Nacht, in der das Flugzeug seine Bombe über dem Dorf abwarf?“
    „Natürlich.“ Eriks Herz setzte einen Schlag aus. Das Bild seines Vaters schoss ihm durch den Kopf.
    „Seit 1944 wurde kein Kind mehr in Thannsüß geboren“, sagte Gutenberg. „Irgendwo dort liegt der Zusammenhang. Aber es ist alles viel zu vage, viel zu verschwommen. Als sollte ich ein Puzzle lösen, bei dem die wichtigsten Teile fehlen.“
    „Möglicherweise enthielt die Bombe einen chemischen Kampfstoff, der sie alle unfruchtbar gemacht hat?“
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Erik lauschte in die Stille. „Sind Sie noch da?“
    „Ja“, antwortete Gutenberg. „Bin ich. Mit Verlaub, Herr Strauss, das ist doch ausgemachter Blödsinn.“
    Erik seufzte.

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