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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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hier?“
    Lothar rutschte langsam zu Boden. Er saß mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt und sah mit wässrigen Augen zu Erik auf. „Es gibt ein Buch“, stieß er hervor. „Piels Tagebuch. Ich habe es gefunden. Und ich habe es versteckt.“ Er wollte aufstehen, seine Hände suchten nach Halt und fanden ihn an Eriks Mantel, der an der Garderobe hing. Als er es fast geschafft hatte, ertönte ein Reißen, und Lothar stürzte zurück auf den Fußboden.
    „Kommen Sie, lassen Sie sich helfen.“ Erik ging neben ihm in die Knie , schob seine Hände unter seine Achseln und hob ihn in die Höhe. Danach standen sie sich keuchend gegenüber, die Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt. „Wo ist dieses Buch?“, flüsterte Erik. „Haben Sie es dabei?“,
    Lothar schüttelte den Kopf. „Nein“, lallte er schließlich und senkte verschwörerisch den Blick. „Es ist an einem ... einem sicheren Ort.“
    „Sagen Sie mir, wo.“ Er packte Lothars Kragen.
    „Also schön. Also schön. Ich sage es Ihnen. Nicht wahr? Ich sage es Ihnen. Aber Sie dürfen niemandem verraten, dass Sie es von mir ... dass ich es Ihnen ...“
    „Keine Sorge. Das bleibt unser Geheimnis.“
    „Ein Geheimnis, ja. Noch mehr Geheimnisse. Immer mehr ... Geheimnisse!“
    Erik packte fester zu. „Lothar, wo ist das Buch?“
    „Also schön. Also ...“
    „Lothar!“ Erik packte ihn am Kragen und schüttelte ihn.
    „Ist ja gut. Gut, gut. Es ist in einer Hütte. Beim Aufstieg zur linken Glesch... Glescher... Gletscherzunge.“
    Die Erinnerung an seinen Abstieg vom Gletscher tauchte vor Eriks geistigem Auge auf, zerfasert und verworren, eine Aneinanderreihung von Szenen und Bildern, die ihm surreal vorkamen. Aber er sah die Hütte vor sich, klar und deutlich und scharf umrissen vor einem verschwommenen Hintergrund, wie durch den Sucher einer Kamera, deren Fokus auf ein einziges Objekt scharf gestellt ist. „Ich kenne die Hütte“, flüsterte er. „Ich war dort.“
    „Ja ...“ Lothar nickte. „Ja, Sie waren dort.“
    „Da war kein Buch.“ Der Regen trommelte auf das Dach des Gästehauses.
    „Ich habe es versteckt“, murmelte Lothar undeutlich. „Versteckt. Unter den Dielen. Neben dem Ofen. Neben dem Ofen. Dem Ofen!“
    Erik packte seinen Kragen fester. „Und dort finde ich Antworten?“
    „Antworten, ja. Sind alle da, Ihre ... Antworten. Unter den Dielen. Neben dem ... Ofen.“ Lothar stieß seine Hände weg. „Ich muss gehen“, rief er, drückte sich von der Wand ab und taumelte einige Schritte durchs Zimmer. Dann legte er Erik eine Hand auf die Schulter, stützte sich an ihm ab. „ Strauss. Erik. Sie müssen aufpassen! Aufpassen, hören Sie? Die werden Sie umbringen. Wenn Sie nicht ... aufpassen.“
    „Wer? Wer wird mich umbringen?“
    „Na ... die. Die werden Sie ... werden Sie ...“
    „Dann müssen Sie mir helfen, Lothar! Wenn ich das Buch habe, wenn ich meine Antworten habe, dann müssen Sie mir helfen! Alleine schaffe ich es nicht!“
    Lothar sah zu Boden und murmelte etwas, das Erik nicht verstand. Dann ließ er seine Schulter los und wankte auf die Tür zu. „Ich muss gehen“, sagte er matt. „Ich muss gehen. Muss gehen. Muss gehen.“
    „Soll ich Sie begleiten? Sie sehen nicht so aus, als würden Sie weit kommen.“
    „Nein! Nein. Ich muss alleine gehen! Niemand darf wissen, dass ...“ Er machte eine ruckartige Handbewegung, die wohl Erik wie auch das Gästehaus umfassen sollte. „Dass ich ... dass ich hier war.“ Er griff nach der Türklinke. Nach einigen Versuchen bekam er sie zu fassen. Er hielt sich daran fest, schwankte mal auf die eine, dann auf die andere Seite. Seine Augen suchten Eriks. „Wir haben Schuld auf uns geladen, Erik.“ Er schluckte. „Eine schwere ... so schwere Schuld.“ Er riss die Tür auf und taumelte nach draußen, wo der Regen durch die Finsternis peitschte.
    „Lothar!“, rief Erik, aber Lothar schien ihn nicht mehr zu hören.
    Erik sah ihm lange nach. Seine Augen schweiften über den Pfarrhof, suchten nach gehörnten Gestalten in der Finsternis, aber sie fanden nichts. Als die Dunkelheit Lothar schließlich verschluckt hatte, schloss Erik die Tür des Gästehauses ab. Ein Teil von ihm wollte loslaufen, wollte das Buch holen, wollte die Antworten sofort. Aber der andere Teil von ihm, der vernünftige Teil, der ihn warnte, dass es zu gefährlich sei in der Finsternis und der Kälte, behielt die Oberhand. Er würde das Buch morgen holen. Er hatte so lange ausgeharrt, dass es auf ein

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