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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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Frau?“
    Der Mann lächelte.
    Erik stieß den Stuhl zurück. Er fiel krachend um. „Wer sind Sie?“ Sein Herz raste in seiner Brust.
    Der Mann sah ihn schweigend an. Dann erhob er sich und ging zur Tür. Erst jetzt sah Erik, wie riesig er war. Der Mann zog sich einen Mantel über und öffnete die Tür. Schneeflocken tanzten ins Zimmer.
    „Was sind schon Namen?“, fragte der Mann. Er wandte sich ein letztes Mal zu Erik um. „Ich muss jetzt gehen, Erik Strauss.“ Wieder lächelte er. „Auf dem Tisch liegt etwas, das Sie vielleicht interessiert. Es ist ein Tagebuch.“ Eriks Herz setzte einen Schlag aus. Seine Augen wanderten über den Tisch. Ein kleines Buch lag dort, das ihm zuvor nicht aufgefallen war.
    „Es scheint sich um die Aufzeichnungen eines gewissen Cornelius Piel zu handeln“, sage der Mann lächelnd.
    „Piel? Sie kennen ihn?“ Eriks Mund war trocken, seine Stimme nicht mehr als ein Flüstern.
    Der Mann drehte sich zur Tür um und warf einen prüfenden Blick hinaus. „Der arme Cornelius“, murmelte er. „Sie haben ihn überall auf den Feldern verstreut.“
    „Was?“, rief Erik. „Was haben Sie gesagt?“
    „Es hat mich sehr gefreut.“ Der Mann sah über die Schulter zurück und schenkte ihm ein warmes Lächeln. Dann zog er den Kopf ein und bückte sich unter dem Türrahmen hindurch, verließ die Hütte und trat hinaus ins Schneetreiben. Binnen Sekunden hatte das wirbelnde Weiß der Flocken ihn verschluckt.
     
    Erik stürzte zur Tür und starrte hinaus in die Dunkelheit und den Schnee. Der Mann war verschwunden. „Warten Sie!“, schrie Erik, aber nur das Heulen des Windes antwortete ihm. Schließlich wandte er sich zögernd um und nahm das ledergebundene Buch vom Tisch. Es fühlte sich feucht und kalt und schwer an. Mit klopfendem Herzen schlug er es auf. Auf die Innenseite des Umschlags hatte jemand die Initialen CP geschrieben. Dann stimmte es also. Dies war Cornelius Piels Tagebuch.
    Erik steckte das Buch in seine Umhängetasche. Der Drang, es an Ort und Stelle zu lesen, zerrte an ihm. Doch der Wunsch, die Sicherheit des Gästehauses zu erreichen, war stärker. Er dachte an den Fremden, das haarlose Gesicht, das in seiner Erinnerung bereits zu einer konturlosen Masse verschwamm, und er dachte an seine seltsamen Worte, die in seinen Ohren nachhallten wie ein dunkles Echo. Er wollte fort von hier.
    Er sah sich ein letztes Mal in der Hütte um und löschte die Kerze. Dann verließ er die Hütte.
    Erik stemmte sich mit aller Kraft gegen die plötzlich aufbrausenden Böen. Er orientierte sich beim Abstieg an den Fußspuren, die er beim Aufstieg im frisch gefallenen Schnee hinterlassen hatte. Sie waren inzwischen fast zugeschneit. Erst nach einer Weile bemerkte er, dass parallel zu seinen eigenen Fußspuren eine zweite Spur durch den Schnee lief. Es waren Hufabdrücke. Eriks Eingeweide ballten sich zusammen. Er ging in die Knie und studierte die Spuren mit zusammengekniffenen Augen. Es waren die Abdrücke eines Geißbocks.
    Eriks Atem kondensierte in der kalten Luft zu weißen Wolken. Links von ihm verschwand die Gletscherzunge im Schneegestöber. Zu seiner Rechten ragten die dunklen Tannen in den Himmel. Er blickte über die Schulter zurück, aber das dichte Schneetreiben hatte die Hütte längst verschluckt. Dann hörte er ein Knirschen, das sich ihm langsam von rechts näherte. Er wollte aufstehen und fliehen, aber seine Beine gehorchten ihm nicht. Aus dem Chaos der tanzenden Flocken tauchte ein schwarzer Körper auf. Der Schnee knirschte unter den Hufen des Geißbocks.
    Erik setzte sich rücklings in den Schnee. „Komm nicht näher“, flüsterte er.
    Der Geißbock blieb stehen. Sein Atem stob weiß aus seinen Nüstern. Dann bleckte er sein gelbes Gebiss. Es sah aus, als würde er grinsen.
    Erik kroch rückwärts von ihm fort. „Was grinst du mich so an?“, schrie er. „Verschwinde!“
    Der Geißbock stieß schnaubend Luft aus. Dann stell te er sich auf die Hinterläufe.
    Erik rappelte sich schreiend auf und rannte los.
     
    Er rannte, bis der Speichel in seinem Mund klebrig wurde, bis seine Beine schwer waren wie Blei und die kalte Luft in seinen Lungen brannte wie Feuer. Bei Benedikts Hof fiel er vornüber und schlitterte über die schneebedeckte Straße. Er blieb liegen und wartete auf das Knirschen der Hufe auf dem Schnee.
    Aber hinter ihm blieb alles still.
    Irgendwann drehte er sich auf den Rücken, sah zum Himmel auf und betrachtete die fallenden Flocken. Als die Kälte des

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