Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
Vom Netzwerk:
paar Stunden mehr oder weniger nicht ankam.
    Etwas in seinem Inneren war bis zum Zerreißen gespannt, und in dieser Nacht war sein Schlaf trotz des Alkohols so seicht und unruhig, wie er es das letzte Mal vor elf Jahren gewesen war. In jenen Nächten, in denen Hendrik seine Träume in Feuer verwandelt hatte.
     
    Als er am nächsten Tag zur Hütte aufbrach, war der Himmel grau, und dunkle Wolken drückten tief auf die Ebene herunter, aber es hatte aufgehört zu regnen. Als der Schlaf ihn in den frühen Morgenstunden schließlich doch noch gefunden hatte, hatte er ihn tief in die Schwärze hinabgezogen und dort festgehalten, bis die Sonne hoch am Himmel stand. Inzwischen war es Mittag, und Erik musste sich beeilen. Er packte die Lampe, die er sich aus der Hütte geliehen hatte, und sein Messer in seine Umhängetasche und lief los. Die Luft war merklich abgekühlt.
    Er lief auf dem Schafspfad, bis er zu der verborgenen Abzweigung kam, die Albert ihm gezeigt hatte. Er drückte einige Äste mit den Händen beiseite und folgte de m Trampelpfad bis zur Lichtung.
    Als er die Lichtung betrat, begann es zu schneien.
    Er blieb stehen und beobachtete die Schneeflocken, die träge aus dem dunklen Himmel fielen. Er lauschte, und nach einer Weile konnte er das leise Knistern hören, mit dem die Flocken auf den Zweigen landeten. Das Zicklein kam aus seinem Bretterverschlag, um ihn zu begrüßen. Erik ging zu ihm, legte ihm die Hand auf den Kopf und kraulte seinen Nacken. Das Zicklein drückte sich eng an ihn. Er fragte sich, wie es die Kälte und den Schnee verkraften würde.
    Schließlich stand er auf und verließ die Lichtung. Das Meckern des Zickleins folgte ihm, und fast klang es vorwurfsvoll.
    Er kehrte zurück auf den Pfad und folgte ihm bis zur Gletschermoräne. Der Schneefall wurde stärker. Der Wind peitschte Erik die Flocken ins Gesicht. Er überquerte das Geröllfeld und tauchte auf der anderen Seite wieder in den Tannenwald ein. Er orientierte sich an der Gletscherzunge, die sich neben ihm die Flanke des Berges emporwand. Er war ausgeruht und legte den Weg weitaus schneller zurück als beim letzten Mal. Dennoch brach bereits die Abenddämmerung herein, als er die Hütte am Fuße des Gletschers erreichte.
    Die Fenster waren dunkel. Aus dem Schornstein stieg kein Rauch auf. Die Tür war noch immer in dem demolierten Zustand, in dem er sie zurückgelassen hatte. Er klopfte mit der Faust dagegen, und sie schwang ächzend auf.
    Als Eriks Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, sah er den Mann. Er saß am Esstisch und hatte die Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt. Sein Kinn ruhte auf seinen gefalteten Händen. Vor ihm auf dem Tisch brannte eine einzelne Kerze. Die kleine Flamme flackerte im Luftzug. Der Mann war vollkommen kahl. Auch fehlten ihm die Augenbrauen. Nicht ein Barthaar wuchs auf seinen Wangen. Seine Haut wirkte so glatt und rein wie die eines Kindes. Sein Gesicht kam Erik merkwürdig vertraut vor, aber er konnte es nicht einordnen.
    „Kommen Sie herein“, sagte der Mann. Seine Stimme war tief und melodisch. „Und schließen Sie die Tür, es ist kalt.“
    Erik trat über die Schwelle und zog die Tür hinter sich zu.
    Der Mann deutete auf einen freien Stuhl zu seiner Rechten.
    Erik trat zögernd näher und setzte sich. Er holte die Petroleumlampe aus der Tasche und stellte sie auf den Tisch. „Ich bringe Ihnen die Lampe zurück. Ich habe sie mir nur ausgeliehen.“
    „Ich weiß. Dennoch gehört sie mir nicht.“
    Erik legte die Stirn in Falten. Sein Herz schlug plötzlich schneller. „Was meinen Sie damit? Was wissen Sie?“
    „Ich habe Sie beobachtet. Sie kamen vom Gletscher herunter. Gott sei Dank haben Sie diese Hütte gefunden, sonst wären Sie womöglich erfroren.“
    „Sie haben mich beobachtet? Was ...“
    „Rein zufällig.“ Der Mann lächelte ihn an. Die Flamme der Kerze spiegelte sich in seinen Pupillen.
    Erik sah sich nervös um. Die Chance, das Buch in seine Finger zu bekommen, schmolz vor seinem inneren Auge wie Eis in einem Ofen. „Dann ist das gar nicht Ihr Haus?“, fragte er unsicher.
    Der Mann sah ihn überrascht an. „Oh, nein. Ich habe nur Schutz vor dem Wetter gesucht.“
    Erik stand auf. Sein Blick fiel auf die Bodendielen neben dem Ofen. Er fluchte innerlich. „Ich werde jetzt gehen.“
    „Tun Sie das. Ihre Frau und Ihr Sohn warten schon auf Sie.“
    Erik spürte, wie eine Gänsehaut über seinen Körper kroch. „Blödsinn! Was reden Sie da? Was wissen Sie von meiner

Weitere Kostenlose Bücher