Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
damit?“
„Ich weiß auch nicht. Ich habe eine Scheißangst.“
„Dann verschwinden Sie! Ein Sturm soll kommen, zumindest behauptet das der Deutsche Wetterdienst. Es wird nicht mehr lange dauern, bis Sie da oben eingeschneit sind. Dann kommen Sie nicht mehr weg. Morgen soll der Schneefall nachlassen, bevor es dann richtig losgeht. Ich schlage vor, Sie nutzen die Pause und kommen runter nach Bruch. Jetzt ist es eh zu spät, bei der Dunkelheit und dem Schneetreiben kommen Sie nicht weit. Ich erwarte Sie morgen in meiner Praxis, verstanden?“
„Sie wissen, dass ich das nicht tun kann.“
„Nein, weiß ich nicht. Erklären Sie’s mir.“
„Das Flugzeug! Ich muss meinen Vater finden!“
„Ah, das Flugzeug. Das hätte ich fast vergessen.“ Gutenberg legte eine kurze Pause ein. Er räusperte sich. „Wagner war hier“, sagte er dann. „Er hat einiges über Ihren Vater herausgefunden.“
Eriks Herz begann gegen seine Rippen zu schlagen wie ein in einem Käfig gefangenes Tier. Es brüllte und tobte und schlug gegen die Stäbe. Er bemühte sich, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen. „Ich höre“, keuchte er.
„Ihr Vater ist über Italien abgestürzt. Er kam in der Nähe von Florenz auf einem Acker runter.“
Erik brauchte einen Moment, um die neue Information zu verdauen. „Aber er wurde uns als vermisst gemeldet!“
„Aha. Wahrscheinlich, weil man seine Leiche nie gefunden hat. Er ist mit dem Schleudersitz ausgestiegen. Vielleicht wurde er vom Wind abgetrieben. Wer weiß, wo er gelandet ist. Manchmal sterben die Piloten direkt beim Ausstieg. So ein Schleudersitz ist eine echte Höllenmaschine. Das ganze Cockpit wird abgesprengt. Stellen Sie sich den Druck vor, die umherfliegenden Trümmer! Von feindlichen Maschinen ganz zu schweigen.“
Erik spürte einen Kloß in seinem Hals. Seine Augen brannten. „Sind Sie ganz sicher?“, flüsterte er.
„Ja“, sagte Gutenberg nach einer Weile. „Wagner hat alle nötigen Unterlagen, um das zu belegen. In jener Nacht war Ihr Vater nicht einmal in der Nähe des Gletschers!“
Erik schlug mit der Faust gegen das Telefon. „Verdammt!“, keuchte er. „Verdammt, verdammt, verdammt!“ Aus dem Augenwinkel sah er Kathi hinter dem Schalter hervorkommen. Sie ging einige Schritte auf die Kabine zu, und Erik starrte sie zornig an. Sie blieb stehen.
„Bleiben Sie ruhig, Herr Strauss“, sagte Gutenberg. „Seien Sie froh, dass es nur ein Hirngespinst war.“
Erik wischte die Feuchtigkeit unter seinen Augen mit der Hand fort. „Es ist nur ... dieses Gefühl. Ich hatte das Gefühl, dass er mir so nah ist wie seit Jahren nicht mehr.“
„Die Einsamkeit kann komische Sachen mit einem anstellen.“
Erik schniefte Rotz hoch. „Sind Sie wirklich ganz sicher?“
„Zum letzten Mal, ja!“, sagte Gutenberg unwirsch. „Sie setzen sich morgen in Ihren Wagen und kommen runter nach Bruch. Ich dulde keine Widerrede. Oder wollen Sie bis zum Frühjahr in diesem Kaff festsitzen? Wir machen von Bruch aus weiter. Dort sind Sie zumindest in Sicherheit. Piel ist tot, Brant ist tot. Wollen Sie der Nächste sein?“
Erik stöhnte leise. Er konnte nicht glauben, dass er sich die ganze Zeit über geirrt hatte. Hatte er nicht die Stimme seines Vaters in seinem Kopf gehört? Sein Brustkorb fühlte sich an, als würden entgegengesetzte Kräfte eine Schlacht darin austragen. Sie zerrten sein Herz hierhin und dorthin, bis er nicht mehr wusste, was richtig und was falsch war. Er lehnte seinen Kopf an die Kabinentür. „In Ordnung“
„Sehr gut, Herr Strauss. Ich erwarte Sie in meiner Praxis.“
„Richten Sie sich auf zwei Gäste ein.“
„Aha. Wen werden Sie mitbringen? Wrede?“
Erik lachte, obwohl ihm noch immer Tränen der Enttäuschung und der Wut aus den Augen liefen. „Nein, diesmal nicht. Meine Frau ist gestern angekommen.“
„Ihre Frau ist da oben? Und da zögern Sie noch?“ Gutenberg klang plötzlich sehr aufgebracht. „Warum zur Hölle haben Sie ihr nicht gesagt, dass sie zuhause bleiben soll?“
„Ich habe es versucht“, sagte Erik leise. „Aber es war schon zu spät. Wir sehen uns, Doktor.“ Er legte auf, stieß die Kabinentür auf und ging auf den Schalter zu. Seine Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten. Kathis Lächeln schien noch breiter zu werden. Sie bewegte sich keinen Zentimeter. In diesem Moment erschien sie Erik wie eine Wachsfigur, deren Schöpfer sie zu einem miserablen, falschen Dauerlächeln verdammt hatte. Er legte eine Hand
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