Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
auf den Schalter und beugte sich nach vorn. Er sah sie schweigend an, bis ihr Lächeln zitterte und erlosch. „Kathi“, sagte er, „ich schätze, Ihr scheiß Telefon funktioniert jetzt wieder.“
Sie starrte ihn wortlos an. Ihr Gesicht wirkte bleich und wächsern. Er nahm die Petroleumlampe vom Schalter und trat den Rückweg zum Gästehaus an. Der Schnee machte seine Schritte schwer. Dicht wirbelten die Flocken um ihn herum. Bald bedeckten sie seinen Mantel und sein Haar.
Kapitel 40
Am Tag darauf brachten sie Lothar unter die Erde. Das ganze Dorf machte seine Aufwartung, um seinem Bürgermeister die letzte Ehre zu erweisen. Erik verfolgte die Prozession der Trauernden vom Fenster des Gästehauses aus. Schwarz gewandete Dorfbewohner huschten durch das Schneetreiben über den Hof. Als Konrads Kinder, Silvia und Michael, vor dem Fenster vorübergingen, zog Erik sich tiefer in den Schatten zurück. Sein Herz stolperte und strauchelte in seinem Brustkorb. Die Kirchturmglocke hob zu einem hohlen und blechernen Geläut an, und er zuckte zusammen.
„Liebster“, sagte Marie. „Komm zu mir.“
Er löste sich vom Fenster und trat an den Tisch. Marie legte ihr Buch beiseite und sah zu ihm auf. Sie nahm seine Hand und massierte sie leicht. „Als du gestern fort warst, habe ich mit Anna gesprochen.“
„Was?“ Er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
„Hör zu“, sagte sie schnell und nahm seine Hand fester. „Sie hat gesagt, dass der Pfarrer sich Sorgen um dich macht. Alle machen sich Sorgen!“
„Marie, du verstehst das nicht.“
„Oh doch! Ich verstehe es! Du hast deine Anstellung verloren, du warst zu lang allein, du warst einsam, verwirrt, alles war neu und unbekannt, und dann diese Menschen, diese seltsamen Menschen, die du gar nicht verstehen kannst ...“
„Marie ...“
„Nein, hör mir zu!“ Sie zog ihn zu sich herunter, bis ihre Gesichter sich fast berührten. „Du bist verwirrt, und es ist nicht schlimm. Es ist in Ordnung. Alle hier werden sich um dich kümmern. Anna ist reizend, ich mag sie sehr. Sie hat eine schrullige Schale, aber darunter ...“ Sie blickte auf und zwang sich zu einem Lächeln. Er sah, dass sie weinte.
„Erik, bitte“, sagte sie. „Das ist unsere Chance auf ein ... ein neues Leben!“
Er presste seine Stirn an ihre. „Marie, ich wünschte, es wäre so. Ich wünsche es mir aus tiefstem Herzen. Aber es gibt da einige Dinge, die du nicht weißt.“ Er schluckte. „Furchtbare Dinge.“
„Ich weiß sie nicht, weil du sie mir nicht erzählst!“, rief sie. „Warum erzählst du mir nichts?“
„Das werde ich“, sagte er nach einer Weile. „Vertrau mir. Ich werde dir alles erzählen.“ Er nahm sie in seine Arme und hielt sie fest, ganz fest.
Später ging Erik alleine zum Friedhof hinüber. Er stand lange vor Lothars Grab und blickte auf die frisch aufgeschüttete Erde hinunter, auf der sich bereits eine dünne Schicht Neuschnee gebildet hatte.
„Sie haben ihn gemocht, nicht wahr?“
Erik fuhr herum. Der Pfarrer hatte die Hände gefaltet und beobachtete ihn aus schmalen Augen.
„Ja“, sagte Erik. Er sah dabei zu, wie die Schneedecke auf Lothars frischem Grab langsam dicker wurde, bis sie die letzten Flecken brauner Erde vollständig bedeckte.
„Sagen Sie mir, wovor Sie solche Angst haben, Erik“, sagte der Pfarrer hinter ihm. „Oft sind es die Dinge, die wir nicht verstehen, vor denen wir uns am meisten fürchten.“
Erik schnaubte bitter. „Wie wäre es, wenn Sie mir zur Abwechslung einige Dinge erklären würden, Thomas? Vielleicht hätte ich dann weniger Angst.“
„Manchmal ist Unwissenheit ein Segen.“
Erik wandte sich zu ihm um. „Sagen Sie mir, was an diesem Ort vor sich geht.“
„Das kann ich nicht.“
„Wieso nicht, verdammt noch mal?“, schrie Erik.
„Weil es gegen den Vertrag verstoßen würde!“ Der Wind fuhr durch das Haar des Pfarrers und zerrte daran.
„Welchen Vertrag?“, rief Erik.
Der Pfarrer lächelte wehmütig. „Irgendwann werden Sie verstehen, Erik. Aber versuchen Sie nicht aufzuhalten, was nicht aufzuhalten ist. Versuchen Sie nicht zu ändern, was niemand ändern kann. Das Schicksal hat Sie hergeführt. Jetzt lassen Sie dem Schicksal seinen Lauf.“
„Ich verstehe kein Wort von dem, was Sie sagen.“
Der Pfarrer streckte den Arm aus und hakte sich bei ihm unter. „Begleiten Sie mich zu Benedikts Hof, Erik.“
Die Berührung des Pfarrers jagte eine Gänsehaut über seinen Körper. Er
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