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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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werden wir Bruch niemals erreichen. Wo sollen wir uns bis zum Tauwetter verkriechen? Wir sind erledigt.“
    Wrede sah ihn müde an. „Sie werden sich nirgendwo verkriechen. Sie kommen mit mir.“
    „Nach Thannsüß?“ Erik schüttelte den Kopf. „Nein.“ Dann kam ihm plötzlich Konrads Pferdeschlitten in den Sinn. Er packte Wredes Schultern. „Der Schlitten!“, rief er. „Damit schaffen wir es bis ins Tal!“
    Wrede winkte müde ab. „Vergessen Sie den Schlitten. Der Gaul ist mir auf halbem Weg entgegengekommen. Er findet allein zurück. Er weiß, wo er hingehört. Und Sie, Herr Lehrer? Wissen Sie, wo Sie hingehören?“
    Erik schniefte. „Ich gehöre nicht hierher.“
    „Konrad hat auf eigene Faust gehandelt“, rief Wrede. „Ich habe ihn gewarnt, und das mehr als einmal. Der Pfarrer hält große Stücke auf Sie, das habe ich Ihnen bereits gesagt.“
    „Der Pfarrer.“ Erik stieß ein Schnauben aus. „Und was ist mit den anderen?“
    „ Welche anderen?“ Wredes Züge verhärteten sich. „Lothar ist tot. Konrad ist tot. Vor wem haben Sie Angst? Vor Benedikt?“
    Erik antwortete nicht.
    „Er tut, was der Pfarrer ihm aufträgt“, sagte Wrede. „So wie alle anderen. So wie ich. Sie haben nichts zu befürchten. Kommen Sie mit mir zurück.“
    „Sagen Sie mir erst, was in diesem Dorf vor sich geht.“ Erik starrte ihn zitternd an. „Was passiert hier? Wohin sind die Kinder verschwunden?“
    „Es gibt keine Kinder in Thannsüß.“ Wrede erwiderte Eriks starren Blick ohne zu blinzeln. „Daran wird sich auch nichts mehr ändern. Dieses Dorf stirbt, Herr Strauss. Wir sind die Letzten, die übrig sind.“
    „Aber warum? Ich verstehe es nicht!“
    Wrede packte ihn an der Schulter. „Wühlen Sie nicht in diesen Dingen herum! Sie sind Vergangenheit.“ Tränen liefen aus Xaver Wredes Augen und verschwanden in seinem dichten Bart. Aus einem Grund, den Erik nicht ganz verstand, erschütterte ihn dieser Anblick so sehr, dass er verstummte. Er schwankte, und Wredes Hand auf seiner Schulter packte fester zu und hielt ihn aufrecht.
    „Was ist los mit Ihnen?“, fauchte Wrede. „Sagte ich nicht, dass wir hier noch etwas zu erledigen haben? Begraben wir den Scheißkerl endlich.“
     
    Konrads Körper schlug mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden des Lochs auf. Wrede hob die Geißbockmaske auf und warf sie in die Grube. „Verdammter Idiot“, murmelte er.
    „Warum helfen Sie mir?“, fragte Erik.
    „Sie haben mein Leben gerettet, ich rette Ihres. So einfach ist das.“
    In seinem seichten Grab schlug Konrad die Augen auf. Er röchelte und spuckte eine Blutfontäne in die Luft.
    Wrede beugte sich zu ihm hinunter. „Ich hab’s dir gesagt, Konrad. Warum hast du nicht auf den Pfarrer gehört? Warum zum Teufel tust du nie, was man dir sagt?“
    Konrad röchelte.
    „Hast du noch etwas zu sagen?“, fragte Wrede kalt. Er hob die Schaufel auf und warf sie Erik zu. „Bringen Sie es zu Ende, Lehrer. Begraben Sie ihn.“
    Erik starrte in das seichte Grab hinunter. Konrads Atem zischte als rote Wolke aus seiner zerfetzten Kehle.
    „Er lebt noch“, sagte Erik.
    „Nicht mehr lange.“
    „Ich kann das nicht tun.“
    „Bringen Sie es gottverdammt noch mal zu Ende!“, brüllte Wrede.
    „Aber er lebt noch!“, schrie Erik.
    „Tu es nicht“, flüsterte Marie hinter ihm.
    Wrede sah auf Konrad hinunter. Sein Gesicht wirkte wie versteinert. Dann trat er einen Schritt zurück, lehnte sich gegen einen Baum und zündete sich eine Zigarette an. „Teilen Sie sich Ihr Mitgefühl gut ein, Lehrer“, sagte er leise und blies Rauch aus. „Der Vorrat davon ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, aber er ist begrenzt. Sind Sie sicher, dass er Ihr Mitgefühl verdient hat?“
    Erik stieß die Schaufel in die gefrorenen Erdklumpen neben dem Grab.
    „Erik“, flüsterte Marie. „Nicht!“
    Die Schaufel in Eriks Händen zitterte. Er drehte sich zu ihr um. Ihr e Augen waren groß und flehend.
    Er schüttelte den Kopf. Dann warf er die erste Ladung Erde auf Konrad. Dumpf prasselten die gefror enen Klumpen auf seinen Körper.
    Konrads Röcheln wurde lauter. Ein hoher Ton mischte sich darunter. Er klang wie ein Winseln.
    Lucy lief aufgeregt um das Grab herum. Sie winselte ebenfalls. Erik warf die zweite Ladung Erde in das Grab. Dann schaufelte er schneller. Seine Hände verrichteten die Tätigkeit automatisch. Er versuchte, die schrecklichen Geräusche auszublenden. Schaufel um Schaufel kippte er in das Loch. Konrads Körper

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