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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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neben Marie. Dann nahm er sie in die Arme und drückte sie an sich, so fest er konnte. Er roch den Duft ihres Haares , und er roch das Salz, das die Tränen auf ihrer Haut zurückgelassen hatten. Er küsste sie auf den Mund. „Wir sind bald zurück“, sagte er.
    Dann stand er auf. „Passen Sie gut auf sie auf, Wagner.“
    Wagner legte seine Pistole vor sich auf den Tisch. „Verlassen Sie sich drauf.“ Sein Lächeln wirkte grimmig. „Dem ersten Spinner, der seine dreckige Nase durch diese Tür steckt, blase ich den Kopf weg.“
    „Das ist der wahre Geist!“, rief Gutenberg. „Auf bald.“
    „Auf bald“, sagte Wagner.
    „ Meh!“, sagte Albert leise.
    Erik strich Marie ein letztes Mal durchs Haar. Er nahm die Schrotflinte vom Tisch und steckte sie unter seinen Mantel. Dann traten sie hinaus ins dichte, dunkle Schneetreiben. Sie zogen sich Schneeschuhe über und stemmten sich mit gesenkten Köpfen gegen den Sturm.
     
    Nach zehn Minuten waren sie außer Atem. Nach zwanzig Minuten waren Eriks Glieder schwer wie Senkblei. Die Schneeschuhe sanken nicht tief in den Pulverschnee ein, aber dennoch war jeder Schritt eine Qual. Sie kämpften gegen den Sturm an, rangen ihm Meter um Meter an Boden ab.
    Vor Xaver Wredes Haus hielten sie erschöpft inne. Die Fenster waren dunkel. Das Haus wirkte verwaist. Erik sog rasselnd die kalte Luft in seine Lungen. Dann hämmerte er mit der Faust gegen die Tür. „Xaver!“, schrie er über den Lärm des tobenden Windes hinweg. „Ich bin es, Strauss! Machen Sie auf!“
    Alles blieb still im Inneren des Hauses. Erik hämmerte weiter gegen die Tür. Schließlich gab er es auf.
    „Wo steckt der alte Bastard?“, rief Gutenberg und musterte die dunklen Fenster. „Was machen wir jetzt?“
    „Wir könnten es auf Benedikts Hof versuchen.“
    „Besser als nichts“, sagte Gutenberg.
    Sie setzten sich wieder in Bewegung und liefen die Hauptstraße entlang zum Marktplatz.
    Plötzlich blieb Erik wie angewurzelt stehen. Er packte Gutenbergs Arm. Gutenberg hielt inne und drehte sich zu ihm um. Der Arzt sah ihn fragend an.
    Erik verzog die Lippen zu einem wölfischen Grinsen. „Ich weiß, wo das Kind ist.“

Kapitel 47
     
    „Der Junge hat es mir gesagt“, keuchte Erik. „Albert! Er hat es mir gesagt, und ich habe es nicht verstanden!“
    „Ich verstehe es auch nicht! Erleuchten Sie mich!“
    „Erinnern Sie sich daran, was Albert gesagt hat?“
    „Ja, sehr genau sogar. Er hat gar nichts gesagt.“
    „Falsch! Er sagte: Meh!“
    Eine Windböe packte sie wie eine Riesenfaust und warf sie beinahe um. Gutenberg kämpfte um sein Gleichgewicht. Erik hielt sich schützend einen Arm vors Gesicht, um die Eiskristalle abzuwehren, die durch die Luft sausten wie winzige Geschosse.
    „Meh!“, wiederholte Gutenberg. „Jetzt ist mir alles klar.“
    „Sie verstehen nicht! Der Junge hat mir vor einiger Zeit sein Zicklein gezeigt. Sein Vater hat es auf einer Lichtung im Wald angebunden. Albert nannte das Zicklein ‚Meh’.“
    „Also ist das Kind bei dem Zicklein? Aber wieso?“
    „Jemand hat es dort versteckt. Um es zu beschützen.“
    Gutenberg sah ihn finster an. „Damit es nicht im Gletscher landet. So wie all die anderen Kinder.“
    Sie liefen los, schneller als zuvor. Bald rann ihnen der Schweiß in Strömen über den Körper. Sie überquerten den Marktplatz und ließen wenig sp äter Benedikts Hof hinter sich. Schließlich endete der Weg, und sie betraten den alten Schafspfad, der durch den Wald hinauf zur linken Gletscherzunge führte.
    Erik schnappte keuchend nach Luft. Er hob die Petroleumlampe hoch über seinen Kopf und suchte den Wegrand mit den Augen ab. Es war schwer, die richtige Stel le in der Dunkelheit zu finden.
    „Sicher, dass wir hier richtig sind?“ Gutenberg wischte sich mit dem Handschuh gefrorenen Speichel vom Kinn.
    „Ja doch!“, sagte Erik. „Es muss hier irgendwo sein!“
    Der Schnee hatte jegliche Spuren, die auf die Existenz des schmalen Trampelpfades hinwiesen, unter sich begraben. Erik ging einige Schritte vor. Dann blieb er plötzlich stehen. „Hier ist es!“ rief er. „Kommen Sie!“
    Erik schob schneebedeckte Zweige und Büsche zur Seite und bahnte sich einen Weg zwischen den Tannen hindurch. Im schwankenden Lichtschein der Petroleumlampe wirkten die schwarzen Schatten ihrer Stämme wie ausgestreckte, zuckende Klauen. Die Bäume knarrten und krachten, wenn der Wind sie packte und niederdrückte. Nach wenigen Minuten erreichten sie die Lichtung. Der

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