Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
den Lichtkegel zu ihren Füßen, ihr Atem das einzige Geräus ch über dem Brausen des Windes.
Schließlich tauchte zu ihrer Linken Benedikts Hof auf. Sie beschleunigten ihre Schritte. Zwischen dem Hof und dem Marktplatz schloss Gutenberg zu Erik auf, bis sie auf gleicher Höhe liefen. „Es gibt da noch etwas, das ich Ihnen sagen muss“, keuchte Gutenberg.
Erik warf ihm einen kurzen Blick zu. „Was ist?“
Gutenberg holte tief Luft. Ein Blitz zerschnitt die Finsternis, und Donner rollte aus der Ferne heran wie das dröhnende Triebwerk eines Flugzeugs. Das Kind in Eriks Armen hatte leise zu weinen begonnen.
Gutenberg rang keuchend nach Luft und suchte nach den richtigen Worten. Nach einer Weile wandte der Arzt den Blick ab. „Vergessen Sie’s. Es ist nicht so wichtig, und jetzt ist ein schlechter Zeitpunkt“, keuchte er. „Wir reden später.“ Gutenberg schlug ihm auf die Schulter. „Machen wir, dass wir wegkommen. Gemeinsam!“
Als sie den Pfarrhof erreichten, hatte der Sturm weiter an Kraft gewonnen. Die Gewalt seiner Böen drohte sie von den Füßen zu reißen. Sie durchschritten das Gatter und liefen über den Hof auf das Gästehaus zu.
Plötzlich tauchte im Lichtkegel ihrer Lampe eine Gestalt auf. Erik blieb stehen. Aus dem Dunkel schälte sich Annas gerötetes Gesicht. „Da sind Sie ja endlich“, sagte sie mit tonloser Stimme. „Und Sie haben das Kind!“ Die zuckende Flamme der Lampe spiegelte sich in ihren Augen.
„Anna. Was tun Sie hier draußen?“
Gutenberg hob die Pistole und richtete sie auf die Wirtschafterin. „Gehen Sie uns aus dem Weg“, keuchte er.
Ein Schrei ertönte in der Dunkelheit außerhalb des Lichtkegels. Dann zerriss ein menschlicher Körper den Vorhang aus tanzenden Flocken, der das Licht von der Finsternis trennte, flog durch die Luft und landete mit einem dumpfen Aufprall vor ihren Füßen. Karl Wagner wand sich unter Schmerzen. Ein ersticktes Stöhnen zwängte sich aus seinem Mund. In seiner Schulter klaffte ein dunkles Loch, aus dem roter Saft sickerte wie Honig aus einem umgestürzten Glas.
„Karl!“, rief Gutenberg und ging neben ihm in die Knie. „Was ist passiert?“
Wagner atmete schwer. Ein dünnes Rinnsal Blut lief aus seinem Mundwinkel. „Die Alte ... hat mich überrascht.“ Die Worte rannen aus seinem Mund wie zäher Sirup. „Die Haushälterin ... sie hat einfach durchs Fenster geschossen.“ Er lachte trocken auf, hustete und spuckte Blut. Gutenberg half ihm, sich aufzusetzen.
„Hat mir in den Rücken geschossen“, presste Wagner zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „So eine Drecksau!“
Erik warf einen Blick auf Anna. Ein Blitz raste über den Himmel und tauchte ihr Gesicht in gleißendes, kaltes Licht. Erst jetzt bemerkte Erik die Schrotflinte in ihren Händen.
„Wo ist Marie?“, flüsterte er. „Wo ist meine Frau?“
„Fast hätten Sie alles zerstört, Erik“, sagte Anna und warf ihm einen zornigen Blick zu. „Warum haben Sie das getan?“
Erik schluckte. „Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Anna.“
„Jetzt wird alles gut werden. Geben Sie mir Ihre Waffen. Ihr Freund stirbt, wenn Sie es nicht tun.“
Erik zögerte. Er suchte Gutenbergs Blick. Er sah sein eigenes Verzagen in Gutenbergs schwarzen Pupillen.
„Zwingen Sie mich nicht dazu“, sagte Anna und spannte den Hahn der Flinte.
„Warten Sie!“, schrie Gutenberg. Er warf seine Pistole in den Schnee zu Annas Füßen.
Erik ließ die Schrotflinte zu Boden fallen.
Aus der wirbelnden weißen Mauer aus Schneeflocken trat der Pfarrer in den Lichtkreis der Lampe. Neben ihm erschien Kathis gebeugte Gestalt. Sie lächelte bösartig.
Der Pfarrer breitete die Arme aus. „Ich wusste, dass Sie uns eines Tages noch nützlich sein würden, Erik.“ Blitze zuckten durch die Finsternis, und Donnergrollen folgte ihnen.
Kapitel 48
Erik wich zurück und drückte das Kind an seine Brust. Angst packte sein Herz wie eine kalte Hand. „Wo ist Marie?“, keuchte er. „Was haben Sie mit meiner Frau gemacht? Sie ist schwanger!“
Der Pfarrer reckte das Kinn vor. „Die anderen wollten nicht auf mich hören, doch ich wusste, dass wir Sie noch brauchen würden, Erik. Ich wusste es von dem Tag an, als Sie vom Gletscher zurückgekehrt sind. Niemand, den ich nach oben geschickt habe, ist jemals zur ückgekehrt. Niemand außer Ihnen. Welch großen Dienst Sie uns erwiesen haben! Größer, als Sie jemals begreifen könnten!“
„Wo ist meine Frau?“, schrie Erik.
„Sie
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