Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
gut platzierten Stich eine Halsschlagader der Sau. Ein dicker roter Strom plätscherte in die Wanne. Benedikt richtete sich auf. „Darauf einen Schnaps“, rief er, und die Menge brach in Jubel aus. Eine Frau eilte mit einem hölzernen Tablett herbei, auf dem dicht gedrängt gut gefüllte Schnapsgläser standen. Benedikt nahm sich als erster eines der Gläser und hielt es in der ausgestreckten Hand. Die Frau bahnte sich ihren Weg durch die Menge und verteilte die Gläser. Sie lächelte Erik und dem Pfarrer freundlich zu. „Sehr zum Wohl, die Herren!“
Der Pfarrer schien hocherfreut und nahm zwei Gläser vom Tablett. „Besten Dank, Bettina.“ Er reichte ein Glas an Erik weiter. Es war beschlagen und eiskalt. Die Flüssigkeit darin war klar wie der Himmel über dem Gletscher.
„Ist sie Benedikts Frau?“, fragte Erik leise.
„Oh nein“, sagte der Pfarrer. „Bettina ist die Magd. Benedikts Frau ist leider sehr krank.“ Er schien kurz zu überlegen. „Sie hatte vor einigen Jahren einen Hirnschlag, von dem sie sich nie richtig erholt hat. Tja.“
Der Pfarrer deutete auf die ausblutende Sau auf dem Boden. „Ein prächtiges Tier! Zwei Zentner, würde ich sagen.“
„Ja, ist ein ganz schöner Brocken“, antwortete Erik. Er legte das kalte Schnapsglas zwischen seine Handflächen und rollte es hin und her. Es kühlte die Hitze leidlich.
Mittlerweile hatte sich eine weitere Magd vor die Metallwanne gekniet. Sie rührte mit einem großen Holzlöffel das warme Blut um, das au s dem Körper der Sau sprudelte.
Erik spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Aber dann sagte er sich, dass vor dem Essen das Schlachten kommt, und dass es schon immer so war. Wir haben es nur vergessen , dachte er.
Nachdem die Sau ausgeblutet war, wuchtete Benedikt sie gemeinsam mit vier Helfern auf einen Holztisch. Die Mägde brachten heißes Wasser und übergossen die Sau damit.
„Vorsichtig“, sagte Benedikt. „Verbrüht sie nicht!“
Als die Sau dampfend auf dem Tisch lag, holten die Frauen Metallschellen aus den Taschen ihrer Schürzen und schabten ihr die Borsten vom Körper. Benedikt forderte eine neue Runde Schnaps ein. Er setzte zu einem Trinkspruch an, aber der Pfarrer kam ihm zuvor. „Auf dich, Benedikt! Möge deine Großzügigkeit nur von der Zahl deiner Jahre übertroffen werden!“ Die Menge bekundete lautstark ihre Zustimmung.
Benedikt trat an den Tisch, auf dem die ausgeblutete Sau lag und in der kühler werdenden Luft dampfte. Mit seinem Messer durchtrennte er die Sehnen an den Hinterläufen, ehe er ein Krummholz daran befestigte. Gemeinsam mit vier Helfern hievte er die Sau vom Tisch. Eine Leiter lehnte an der Wand des Stalls, und Benedikt warf das Ende des Seils über die oberste Sprosse. Die Burschen zogen die Sau auf der anderen Seite der Leiter in die Höhe.
„Wenn das Schwein am Haken hängt, Klaren in die Gläser schenkt!“, rief Lothar Brant.
Langsam gewöh nte Erik sich an den Geschmack.
Benedikt krempelte die Ärmel seines Hemdes bis zu den Oberarmen hoch und zog das Jagdmesser aus der Lederscheide an seinem Gürtel. Er setzte das Messer zwischen den Hinterläufen der Sau an und zog es in einer einzigen fließenden Bewegung über ihren Bauch bis zum Hals hinunter. Der Bauch der Sau klaffte auf, und dunkel wölbten sich ihre Gedärme nach draußen. Ohne zu zögern griff Benedikt mit beiden Händen in den geöffneten Leib und begann , die Eingeweide heraus zu schaufeln. Die Innereien klatschten mit einem feuchten Schmatzen in die bereitstehende Metallwanne. Obwohl Erik eine erneute Welle der Übelkeit über sich hinwegbranden spürte, konnte er den Blick nicht abwenden. Als Benedikt die Sau leergeräumt hatte, trat Lothar Brant zu ihm und beugte sich über die Schüssel mit den Innereien. Erik begriff, dass er Zeuge eines Rituals wurde, das sich schon unzählige Male hier abgespielt hatte. Mit fachmännischem Blick begutachtete der Bürgermeister die Organe, schob das eine oder andere Teil in der Schüssel hin und her und wandte sich schließlich mit zufriedenem Gesichtsausdruck an die wartende Menge. „Die Sau war gesund!“, rief er, und seine Worte wurden mit erleichtertem Jubel quittiert. Noch einmal wurden die Gläser auf die glückliche Schlachtung erhoben. Erik fühlte eine leichte Benommenheit in sich aufsteigen.
Benedikt nahm ein Hackebeil zur Hand. Dann zerteilte er die Sau mit kraftvollen Schlägen in zwei Hälften. Er warf das Beil auf den Tisch und deutete eine Verbeugung an. Wieder
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