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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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Mann.“
    „Ja. Und ein ungerechter Mann.“
    „Viele stolze Männer sind ungerecht.“
    „Er war ein Tyrann.“
    „Hat er Sie geschlagen?“
    Erik sah beiseite, ohne zu antworten.
    „Warum tragen Sie dann sein Bild mit sich herum?“
    Eine Woge verdrängten Zorns kochte in Erik hoch. „Weil er trotz allem mein Vater ist. Und weil diese Uhr das einzige ist, was von ihm noch da ist. Verstehen Sie das? Vor seinem letzten Einsatz, dem Einsatz vor zwölf Jahren, von dem er nicht zurückkam, hat er sie meiner Mutter geschenkt. Ich bin nie auf den Gedanken gekommen, das Bild zu entfernen.“ Erik betrachtete die vergilbte Fotografie seines Vaters, die Uniform, die Fliegermütze, die harten Augen, den mächtigen Schnauzbart. Er schluckte seinen Zorn hinunter. „Er war kein schlechter Mensch, denke ich. Meine Mutter pflegte zu sagen: Er war ein guter Mensch, der seine schlechten Seiten hatte. Ein Hang zu sinnloser Gewalt schwelte in ihm, der sich am Alkohol entzündete. Wenn er nüchtern war, konnte man es gut mit ihm aushalten. Leider war er nicht allzu oft nüchtern.“
    „Tut mir leid, das zu hören.“ Der Pfarrer wirkte betroffen. „Sie sollten das Foto aus Ihrer Uhr entfernen. Warum stecken Sie nicht ein Bild Ihrer Frau hinein? Leben Sie nicht in der Vergangenheit, Erik. Die Gegenwart ist, was zählt.“
    Erik versuchte zu läche ln. „Vielleicht werde ich das.“
    Hinter den Häusern zu ihrer Linken lagen weit und leuchtend in der Sonne die Felder, Äcker und Wiesen von Thannsüß. Dahinter erstreckte sich dunkel und undurchdringlich der Tannenwald. Zwischen den Feldern standen vereinzelte Scheunen und Stallungen, wie verstreute Kuchenkrümel auf einer Kaffeetafel. Auf einem Hügel kurz vor dem Waldrand drehten sich träge die Flügel einer Windmühle. Zu ihrer Rechten ragte der Gipfel des Großen Kirchners 600 Meter in den blauen Himmel. Risse und Spalten durchzogen den grauen Fels, als hätte vor Urzeiten ein gigantischer Pflug einen senkrechten Acker aus Stein umgegraben.
    Bald hatten sie die letzten Häuser des Dorfes hinter sich gelassen. Beiderseits des Weges standen Tannen dicht an dicht. Der Wald war dunkel und kühl und erfüllt von einem intensiven Geruch nach Tannennadeln und Harz. Aus der Ferne drangen Stimmengewirr und Musik zu ihnen.
    „Wie ich höre, hat das Fest bereits begonnen, aber das macht gar nichts“, keuchte der Pfarrer. „Mit etwas Glück haben wir Lothars Rede verpasst.“

Kapitel 8
     
    Wenige Minuten später erreichten Sie das Anwesen des Großbauern. Der Weg mündete in eine geschotterte Auffahrt, die auf einen geräumigen Hof führte. Ungefähr fünfzig Personen hatten sich dort bereits versammelt. Sie saßen auf den eigens aufgestellten Bänken oder standen in kleinen Grüppchen zwischen den Tischen umher. Der Hof wurde von einem hufeisenförmigen Gebäudekomplex umschlossen. Auf der linken Seite befand sich das große zweigeschossige Wohnhaus. Einige Musiker saßen auf Stühlen davor. Im Moment schwiegen die Instrumente, und die Musiker hatten große Bierkrüge in den Händen. Vor ihnen auf dem Boden saß eine Schar von Jugendlichen. Gelächter schallte über den Hof. An das Wohnhaus schloss sich im rechten Winkel das Dienstbotengebäude an, auf das wiederum die Stallungen stießen.
    „Wo ist Benedikt?“, fragte der Pfarrer. Einige Gäste verwies en ihn auf die Stallungen.
    Sie arbeiteten sich langsam durch die Menschenmenge vor, immer wieder von Begrüßungen unterbrochen. Der Pfarrer stellte Erik als den neuen Lehrer vor und lobte ihn in den höchsten Tönen. Lächelnde Gesichter stürzten auf ihn ein. Ihre überschwängliche Freundlichkeit irritierte ihn. Er hatte das seltsame Gefühl, dass man sein Eintreffen erwartet hatte. Plötzlich teilte sich die Menge vor ihnen unter lautem Geschrei und Gejohle, und zwischen den Gästen kam eine panisch quiekende Sau hervorgeschossen. Erik sprang instinktiv zur Seite. Die Sau galoppierte an ihnen vorbei die Auffahrt hinunter.
    „Das war knapp!“ Der Pfarrer lachte. „Gleich ist sie weg!“
    Aber der Lauf der Sau wurde mit einem Mal jäh gestoppt. Ihre Hinterbeine wurden vom Boden weggerissen, und sie schlug hart auf dem Schotter der Auffahrt auf. Sie ließ ein jämmerliches Quieken hören, das von den Gästen mit schallendem Gelächter quittiert wurde. Ein Hüne von einem Mann kam durch die Gasse gestampft, die die Sau durch die Menschenmenge gepflügt hatte. Er war an die zwei Meter groß. Sein graues Haar reichte ihm bis

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