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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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applaudierte die Menge.
    Die jungen Burschen schafften die Schweinehälften gemäß Bettinas Anweisungen zur weiteren Verarbeitung in die Küche. Die Musiker nahmen ihre Plätze wieder ein und spielten zum Tanz auf. Bier in steinernen Halbliterkrügen wurde serviert, und der Hof war erfüllt von Musik und Gelächter und Stimmengewirr.
     
    „Folgen Sie mir, Herr Lehrer“, sagte Benedikt. „Ich möchte Ihnen meine Frau vorstellen.“
    Sie gingen quer über den Hof auf das Wohnhaus zu. Vor dem Eingang saß auf einem Stuhl in mehrere Decken gehüllt eine kleine, weißhaarige Frau. Sie schien fast unterzugehen in dem Meer aus Stoff, das sie umgab. Eines ihrer Augen war von einem milchigen Weiß. Das andere starrte dunkel und teilnahmslos in die Menge.
    „Agathe“, sagte Benedikt leise. „Wo schaust du nur wieder hin mit deinem einen Auge?“
    Als sie seine Stimme hörte, verzog sich ihr Mund zu einem schiefen Lächeln. Erik lief ein Schauer über den Rücken.
    „Der Schlag hat sie getroffen“, sagte der Pfarrer dicht an seinem Ohr, so dass nur Erik es hören konnte.
    „Agathe, ich möchte dir den neuen Lehrer vorstellen.“ Benedikt sprach langsam und deutlich. „Sein Name ist Erik Strauss. Er ist den ganzen Weg aus München angereist.“
    Ihr dunkles Auge folgte der Richtung, in die Benedikts Arm wies, bis es auf Erik haften blieb. Erik hatte das Gefühl, als würde sie direkt durch ihn hindurch sehen. Ihr Mundwinkel begann zu zittern, und ihr Lächeln verblasste, als würde sich eine Wolke vor die Sonne schieben.
    Erik trat einen Schritt vor und hielt ihr die ausgestreckte Hand hin. „Es freut mich, Sie kennen zu lernen“, sagte er.
    Ihr Auge war fest auf ihn gerichtet. Es war schwarz und tief wie ein Gebirgssee. Erik verspürte den dringenden Wunsch, sich abzuwenden und aus dem Blickfeld dieses Auges zu fliehen. Sein Herz schlug mit einem Mal zu schnell, zu fest.
    „Sei nicht unhöflich, Agathe“, sagte Benedikt leise. „Gib Herrn Strauss die Hand. Er ist ein netter junger Mann, behauptet zumindest der Pfarrer.“ Er zwinkerte Erik zu.
    Aus dem Deckenhaufen erhob sich zitternd eine schmale, weiße Hand. Sie wanderte einige Zentimeter höher und verharrte unruhig in der Luft. Erik beugte sich zögernd nach vorne. „Freut mich sehr , Frau Angerer“, sagte er.
    In dem Moment, in dem sich seine Finger um ihre Hand schlossen, begann Agathe Angerer zu schreien. Erik wurde schwarz vor Augen. Und in der Finsternis leuchtete plötzlich ein Bild auf, als würde ein Blitz den nächtlichen Himmel für einen Augenblick in gleißendes Licht tauchen.
     
    In der Dunkelheit schlägt sie die Augen auf. Ein dumpfer Knall hat sie geweckt, wie eine Explosion in weiter Ferne. Sie richtet sich in ihrem Bett auf. Das Echo des Knalls verhallt über den Bergen. Sie schwingt die Füße aus dem Bett und steht auf. Der Boden unter ihren nackten Fußsohlen zittert. Die sanfte Vibration pflanzt sich durch ihre Beine in ihren Rumpf und von dort in ihren Kopf fort. Sie tritt ans Fenster und blickt hinaus. Ein Gewitter tobt über dem Dorf. Doch der Knall, der sie geweckt hat, war kein Donner. Es war ein anderes, fremdes Geräusch. So dunkel, so tief. Die Vibration wird stärker. Der Wind schleudert Regen gegen die Fensterscheibe.
     
    Erik riss seine Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. Er taumelte rückwärts und stürzte auf den Schotter. Die alte Frau saß zusammengesunken in ihrem Stuhl. Ihr Kinn ruhte auf ihrer Brust. Benedikt und der Pfarrer tauschten einen erschrockenen Blick aus. Benedikt beugte sich über seine Frau und strich ihr mit der Hand über die Stirn. „Agathe. Was ist mit dir?“
    Erik richtete sich stöhnend auf. Das Bild, das für einen Augenblick in der Dunkelheit seines Geistes aufgeleuchtet war, verblasste schnell. Zurück blieb eine dumpfe, erstickende Angst, die er sich nicht erklären konnte. Für einige Sekunden war sie so stark, dass sie ihm die Kehle zuschnürte. Dann war der Pfarrer bei ihm.
    „Was war das?“, keuchte Erik.
    „Ich hatte gehofft, dass Sie uns das sagen könnten.“ Der Pfarrer legte den Kopf schief und sah ihn seltsam an.
    Erik keuchte. „Es hat sich angefühlt wie ein Stromschlag“, sagte er.

Kapitel 9
     
    Sie standen in der Wohnstube von Benedikt Angerers Haus. Der große Raum war mit wuchtigen dunklen Möbeln vollgestellt. Ein Geruch nach altem Holz und alten Menschen hing über dem Zimmer. Noch immer versuchte Erik zu begreifen, was gerade passiert war. Benedikt hatte

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