Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
er sich erneut zu Lothar umwandte, war der kleine Mann aufgestanden. Sein rundes Gesicht leuchtete rot in der Abendsonne.
„Lothar“, sagte Erik so ruhig wie möglich. „ Ich wollte nicht unhöflich sein. Ich dachte nur, dass es vielleicht nett wäre, mit jemandem zu plaudern, der vor gar nicht allzu langer Zeit in derselben Situation war wie ich jetzt.“ Erik zwang ein Lächeln auf seine Lippen. „Der Neue im Ort, Sie verstehen schon.“
Lothar schluckte. „Niemand war hier“, sagte er schließlich. „Seit Jahren schon nicht mehr. Sie sind der Erste.“ Lothar ließ sich langsam zurück auf die Bank sinken.
„Der Wirt in Bruch meinte …“
Lothar schlug den Bierkrug auf den Tisch. Wieder spritzte Bier über den Rand. „Ich kann Ihnen nicht helfen, Herr Strauss!“ Er umfasste den Krug mit beiden Händen und vermied es, Erik direkt anzusehen. „Und jetzt gehen Sie bitte. Ich habe noch einiges zu erledigen.“
Erik erhob sich. „ Entschuldigen Sie bitte, Lothar. Ich scheine da irgendetwas falsch verstanden zu haben.“
„ Falsch verstanden, ja. Sicher. Bitte gehen Sie jetzt.“
Erik wandte sich ab und ging den Weg zum Gartentor hinunter. Du verdammter Idiot , dachte er. Du hast es versaut. Du hast alles versaut. Er hatte eine große Karte gespielt und verloren. Was würde Lothar tun? Würde er alles brühwarm dem Pfarrer erzählen? Oder Benedikt? Was würde passieren? Du wirst bald wissen, wo Piel ist , sagte eine finstere Stimme in ihm. Weil sie mit dir genau das gleiche machen werden, was sie mit ihm gemacht haben.
Vor Lothars Grundstück zweigte eine schmale Straße vom Marktplatz ab, so wie Anna es ihm beschrieben hatte. Erik konzentrierte sich auf den Weg, der vor ihm lag. Das seltsame Verhalten des Bürgermeisters ging ihm nicht aus dem Kopf. Die Erwähnung von Piels Namen hatte eine heftige Reaktion bei Lothar ausgelöst. Erik hatte Angst, einen Fehler gemacht zu haben. Einen Fehler, dessen Folgen er noch nicht einmal erahnen konnte. Er dachte kurz daran, sofort ins Postamt zu laufen und Schulrat Obermeier anzurufen. Aber dann erinnerte er sich daran, dass der Strom erst am Abend angestellt wurde. Das Gespräch mit Obermaier würde warten müssen. Also setzte Erik seinen Weg zu Konrads Haus fort. Zweifel nagten an ihm, und eine unbestimmte Angst, die vielleicht eine düstere Vorahnung der schrecklichen Dinge war, die noch kommen würden, presste sein Herz zusammen.
Aber nach einer Weile löste sich der Druck, und Erik atmete tief durch. Schließlich gewannen die herrliche Abendstimmung und die Vorfreude auf das Gespräch mit Marie die Oberhand. Es tat gut, an Marie zu denken. Ihr Bild vor seinem inneren Auge vertrieb die Dämonen, und kurze Zeit später ertappte er sich sogar dabei, dass er stumm vor sich hinlächelte.
Das zweite Haus auf der rechten Seite war Konrads. Er hörte die Schläge des Schmiedehammers, lange bevor er das Haus sah. Konrads Fuhrwerk stand auf dem Hof. Als Erik die Einfahrt betrat, kamen ihm ein Junge und ein Mädchen entgegengelaufen. Beide hatten blondes Haar und blasse, sommersprossige Gesichter. Erik schätzte ihr Alter auf dreizehn oder vierzehn Jahre. Als sie ihn sahen, blieben sie wie angewurzelt stehen.
„Hallo, ihr beiden“, sagte er. „Ist euer Vater zuhause?“
Die Kinder starrten ihn mit großen Augen an. Schließlich bewegte das Mädchen langsam den Kopf auf und ab.
„Sind Sie der neue Lehrer?“, fragte der Junge.
Erik lächelte. „Der bin ich.“
„Vater ist in der Werkstatt“, sagte das Mädchen.
Erik fiel auf, dass die beiden Kinder eine große Ähnlichkeit aufwiesen. „Wie heißt ihr beiden denn?“
„Michael“, sagte der Junge.
„Ich heiße Silvia“, sagte das Mädchen.
„Seid ihr Zwillinge?“
„Ja“, sagte der Junge. „Aber ich bin der Ältere.“
„Nur ein paar Minuten.“ Silvia warf ihrem Bruder einen strengen Blick zu.
Erik lachte. „Bald werdet ihr wieder regelmäßig Unterricht haben, dann können wir sehen, wer der Klügere ist.“
„Vater bringt mir alles bei“, sagte der Junge. „Er ist Schmied, und ich werde auch ein Schmied sein, so wie er. Ich helfe Vater in der Schmiede und in der Werkstatt. Ich kann die Kessel flicken, Räder bespannen, Hufeisen hämmern, Klingen schmieden. Und ich kann gut mit Holz umgehen. Ich mache die besten Messergriffe. Wir beschlagen auch die Pferde. Vater sagt, ich werde ein guter Schmied sein. Wenn ich in die Schule gehe, kann ich ihm nicht mehr
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