Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
haben?“
„Ich weiß nicht ...“
„Oh doch, ich habe es Ihnen gesagt!“
„Xaver hat mich losgeschickt, um zwei Lampen zu besorgen. Ich habe nach Ihnen gerufen, aber Sie waren nicht da. Die Kellertür stand einen Spalt breit offen. Ich dachte, Si e wären vielleicht hier unten.“
Ihre Anspannung schien sich etwas zu lösen. „Hier unten gibt es nichts für Sie, Erik! Wenn der Herr Pfarrer Sie hier beim Herumschnüffeln erwischt, wird er sehr zornig werden.“
„Ich habe nicht herumgeschnüffelt!“
„Das ist auch besser so!“, rief Anna. „Es gehört sich nicht, in einem fremden Haus herumzuschnüffeln!“
„Sie haben Recht, Anna. Es gehört sich nicht. Ich wollte nur zwei Petroleumlampen besorgen, das ist alles.“
„Die Lampen sind auf dem Regal in der Küche!“, rief sie. „Das habe ich Ihnen doch gesagt!“
„Tut mir leid, ich … das habe ich wohl vergessen.“
„Ich habe es Ihnen gesagt!“ Sie atmete tief durch. „Sie sollten jetzt besser nach oben gehen.“
„Ist gut.“
„Dann gehen Sie. Gehen Sie!“ Sie starrte ihn an, während er an ihr vorüberging, und er sah die unterdrückte Wut in ihren Augen. Und da war noch etwas: Eine Art zorniger Enttäuschung. Und eine stumme Anklage.
Er ging schweigend den Gang entlang. Er hoffte, dass seine weichen Beine ihn bis zur Treppe tragen würden. Laut hallten seine Schritte von den Wänden wider. Er spürte Annas Blick in seinem Rücken. Erik stieg die drei Stufen hinauf und ging nach rechts durch das Gewölbe zur Kellertreppe. Nur langsam fand sein Herz zu seinem gewohnten Rhythmus zurück. Er löschte die Petroleumlampe und hängte sie mit zittrigen Fingern an den Haken neben der Treppe. Dann ging er nach oben, dem Licht entgegen. Als er durch die Kellertür in die Eingangshalle trat, schlugen die Uhren zur vollen Stunde. Er zuckte zusammen. Der Lärm war ohrenbetäubend. Er schüttelte den Kopf und lachte ungläubig. Die gesamte Szene kam ihm mit einem Mal absurd vor. Er atmete einige Male tief durch, sah sich in der Küche um, entdeckte die Petroleumlampen, nahm zwei vom Regal und machte sich auf den Rückweg ins Klassenzimmer.
„Wo zur Hölle waren Sie, Mann?“ Wrede klang zornig.
„Hab mich verlaufen.“ Erik stellte die beiden Lampen auf dem Pult ab.
Wrede starrte ihn dumpf brütend an. „Können Sie mit Werkzeug umgehen?“, fragte er schließlich.
„Nein. Ich habe zwei linke Hände.“ Er wusste, dass er Wrede nicht reizen sollte. Aber aus irgendeinem Grund fühlte sich sein Kopf sonderbar leicht an.
„Das ist dummes Geschwätz!“, knurrte Xaver Wrede. „Wenn Sie es nicht können, werden Sie es lernen. Ich habe nicht vor, den ganzen verdammten Raum alleine zu renovieren.“ Er betrachtete Erik missmutig. Zwischen seinen buschigen Augenbrauen hatte sich wieder die tiefe Zornesfalte gebildet. Im Zwielicht waren die haarlosen, vernarbten stellen unter seinem schwarzen Vollbart kaum zu erkennen. „Ich mache das für den Pfarrer“, sagte Xaver Wrede, „nicht für Sie. Nur damit das klar ist.“
„Ist klar“, sagte Erik. War von Anfang an klar , dachte er. Der Pfarrer hat dich unter seiner Knute, Rübezahl. Dich und alle anderen hier. Im selben Moment, in dem ihm der Gedanke durch den Kopf schoss, wurde Erik klar, dass er stimmte. Der Pfarrer und Benedikt Angerer gaben den Ton an in Thannsüß, und vielleicht noch Lothar Brant. Aber bei Lothar war er sich noch nicht ganz sicher.
Wredes Stimme riss ihn zurück in den stinkenden Verfall des Klassenraums. „Also geben Sie sich gefälligst ein bisschen Mühe, denn wenn ich merke, dass Sie auf der faulen Haut liegen, während ich mir den Rücken krumm schufte, bin ich schneller weg, als Sie ein fleißiges Gesicht aufsetzen können.“
„Ist klar“, sagte Erik noch einmal. Er entzündete die beiden Lampen. Ihr warmes Licht erfüllte den Raum und ließ seinen Zustand noch deprimierender erscheinen.
„Wenn Sie mich nach meiner Meinung fragen, Herr Lehrer, dann bin ich ganz ehrlich.“ Wrede musterte ihn. „Sie sind zu jung, Sie sind aus der Stadt und Sie haben keine Ahnung von dem Leben, das wir hier oben führen. Sie haben kein handwerkliches Geschick, Sie haben nie auf einem Hof gearbeitet, nie die Ernte eingefahren, nie das Korn gedroschen. Sie gehören nicht hierher, und wenn Sie mich fragen, werden Sie hier oben nicht sonderlich alt werden. Aber das ist nur meine Meinung. Der Pfarrer hält große Stücke auf Sie, warum auch immer. Also sind Sie bereit,
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