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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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dem Tisch. Lucy und Arco lagen hechelnd daneben und beobachteten jede seiner Bewegungen.
    „War der Nagel rostig?“, fragte Erik.
    „Nur ein bisschen.“
    „Sie sollten die Wunde im Auge behalten.“
    „Schon klar.“
    Während sie das Bier tranken, senkte sich die Dunkelheit über Thannsüß.

Kapitel 18
     
    Am nächsten Morgen fand Erik das Pfarrhaus verlassen vor. Er rief nach Anna und dem Pfarrer, aber das Ticken der Uhren war das Einzige, was im dunklen Flur zurückblieb, nachdem der Klang seiner Stimme verhallt war. In der Küche schlug ihm ein Hitzeschwall entgegen. Die Klappe des Steinofens stand offen, aber der Ofen war leer. Erik schloss die Klappe und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Er ging zum Herd hinüber, nahm die heiße Metallkanne von der Platte und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. Dann bemerkte er den Teekessel, der ebenfalls auf dem Herd stand. Das Wasser darin war längst verdampft, und der untere Teil des Kessels hatte in der Hitze zu glühen begonnen. Erik wickelte ein Geschirrtuch um den Griff und schob den Kessel beiseite. Er fragte sich, was passiert war. Anna würde die Küche niemals freiwillig in einem solchen Zustand zurücklassen , dachte er.
    „Hallo?“, rief er und lauschte in die Stille.
    Er stürzte seinen Kaffee hastig hinunter. Er verbrannte sich Zunge und Gaumen und fluchte leise. Dann ging er in die Eingangshalle. Aus der Bibliothek ertönte Musik. Erik trat zögernd ein. Das Grammophon in der Ecke des Zimmers lief. Auf dem Plattenteller drehte sich eine Scheibe, die er kannte. Es war Glenn Millers ‚Moonlight Serenade’. Die Bibliothek war leer. Er ging nach oben, und nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Pfarrer nicht in seinem Zimmer war, lie f er auf den Kirchplatz hinaus.
    „Anna?“, rief er. „Thomas? Wo sind Sie?“
    Nur der Wind antwortete ihm.
     
    Die Häuser entlang der Straße waren leer und still. Auf dem Weg zum Marktplatz begegnete er keiner Menschenseele. Als er schließlich vor Lothar Brants Haus stehen blieb, wischte er sich den Schweiß von der Stirn und sah sich um. Auf dem Feldweg, der zu Konrads Haus führte, entdeckte er eine Gruppe von Dorfbewohnern. Manche davon kamen ihm vage vertraut vor, und er glaubte, dass er einigen davon auf Benedikts Fest vorgestellt worden war. Als er auf sie zuging, sprang mit einem Mal eine solch bedrückende Stimmung von den Leuten auf ihn über, dass er abrupt stehen blieb. Erst jetzt bemerkte er, dass eine der Frauen weinte. Unbehagen kam über ihn wie ein kalter Nieselregen. Er erschauerte und wollte gerade kehrtmachen, als sie seine Anwesenheit bemerkten. Er verkrampfte sich innerlich, als ihre Augen sich auf ihn hefteten. Ihre Gesichter waren ausdruckslos.
    „Ich suche den Pfarrer“, sagte er.
    Zunächst zeigten sie keine Reaktion. Nach einer Weile senkten einige die Köpfe. „Er ist da hinten“, sagte einer von ihnen schließlich. „Bei Konrad.“
    Erik nickte und setzte sich in Bewegung.
    Als er die Gruppe schon fast passiert hatte, hob der Sprecher einen Arm, als wollte er ihn aufhalten. „Aber da sollten Sie n icht hingehen.“
    Erik blieb stehen. „Wieso nicht?“ Er sah auf den Mann hinunter, der etwas kleiner war als er selbst.
    „Sie sollten da nicht hingehen, Herr Strauss“, sagte er. „Kehren Sie um. Gehen Sie ins Pfarrhaus zurück.“
    Einen Moment lang verspürte Erik das dringende Verlangen, den Rat des Mannes zu beherzigen. Er würde umkehren und den Weg zurückgehen, den er gekommen war. Er würde sich in die Küche setzen, Kaffee trinken und auf die Rückkehr des Pfarrers warten. Und auf Anna. Das sieht dir ähnlich , sagte eine Stimme in ihm, die nicht seine eigene war. Du verdammter Feigling.
    Erik schluckte de n Kloß in seinem Hals hinunter.
    „Kehren Sie um“, wiederholte der Mann und legte ihm eine Hand auf den Arm.
    Erik schüttelte die Hand ab und lief los.
     
    Auf dem Weg zu Konrads Haus kamen ihm viele Leute entgegen. Die meisten davon beachteten ihn gar nicht. Einige weinten. Andere fluchten. Angst legte sich um Eriks Herz wie eine Eisschicht. Er ging an der Schmiede vorbei, die ihm im kalten und klaren Licht des anbrechenden Morgens zu ruhig, zu leblos erschien. Kein Rauch quoll aus dem rußgeschwärzten Schornstein über der Esse, keine Hammerschläge erfüllten die Stille mit Leben. Er näherte sich dem Wohnhaus. Als er die Tür fast erreicht hatte, kamen Konrads Kinder, Michael und Silvia, aus dem dunklen Eingang geschossen. Michael prallte

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