Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
Bewegung auf der anderen Seite des Hofs, wo das Gatter hinaus auf die Hauptstraße führte. Er kniff die Augen zusammen. Zwei Gestalten standen dort draußen in der Dunkelheit und starrten zum Gästehaus herüber. Aber etwas schien mit ihren Köpfen nicht zu stimmen. Sie wirkten unförmig und viel zu groß, und lange Hörner wanden sich aus den Schädeln. Ein kaltes Gefühl sickerte in Eriks Eingeweide. Er presste die Lider zusammen und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Dann beugte er sich nach vorn, näher zur Scheibe, um mehr erkennen zu können. Aber die Gestalten waren fort. Sanft wiegten sich die Tannen am Rand des Pfarrhofs im Wind.
Er ik stand noch lange am Fenster und starrte hinaus in die Nacht. Dann zog er sich aus und legte sich ins Bett. Ihn fröstelte, aber es war nicht nur die Kälte, die ihn zum Zittern brachte.
Sie verbrachten den Donnerstagvormittag damit, die restliche Wandverkleidung herunterzureißen, während Xaver Wredes Hunde im Garten des Pfarrhauses herumtollten. Erik machte eine erstaunliche Veränderung in Lucys Verhalten aus: Ihre Aggressivität ihm gegenüber wich nach und nach totaler Unterwürfigkeit. Sie legte sich vor ihm auf den Boden und präsentierte ihm Bauch und Kehle. Xaver Wrede betrachtete sie missmutig, schritt aber nicht ein, als Erik sich ihr vorsichtig näherte und ihren Bauch kraulte. „Irgendetwas habe ich falsch gemacht“, murmelte Wrede.
Davon abgesehen zeigte er sich von seiner besten Seite, wirkte aufgeräumt und für seine Verhältnisse gut gelaunt. Aber als Erik sich in der Mittagspause nach seiner Tochter Julia erkundigte, fiel er auf einen Schlag in di e alte Verschlossenheit zurück.
„Wird sie am Unterricht teilnehmen?“, fragte Erik.
Xaver Wrede lachte trocken. „Vergessen Sie’s.“
„Warum? Ich könnte versuchen, sie zu fördern.“
„Da gibt es nichts zu fördern.“
„Ich bin mir ganz sicher, dass ich etwas für Julia tun kann. Schicken Sie sie übernächste Woche in die Schule.“
Wrede schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Herrgott noch mal, nein!“ Seine Augen funkelten.
Erik starrte auf seinen Teller.
Nach einer Weile sagte Xaver Wrede leise: „Sie ist wie ein Stein, verstehen Sie?“ Das Funkeln war aus seinen Augen gewichen und hatte eine tiefe Traurigkeit zurückgelassen. „Wie ein Stein.“
Sie verbrachten den Rest der Mittagspause schweigend.
Am Nachmittag begutachtete Erik die Bücherbestände, während Xaver Wrede das undichte Dach ausbesserte. Der Zustand der Bücher war noch schlechter, als Erik angenommen hatte. Sie waren derart von Feuchtigkeit, Moder und Schimmel zerfressen, dass sie in Eriks Händen in stinkende Klumpen zerfielen. Er ging ins Pfarrhaus hinüber und fand den Pfarrer in der Bibliothek vor. Er saß in eine Decke gewickelt in dem Sessel vor dem Kamin. Benedikt war bei ihm. Die beiden waren in eine leise Unterhaltung vertieft.
Als Erik sich näherte, blickte der Pfarrer auf. „Erik!“, rief er. „Es ist eine Freude, Sie zu sehen! Wie geht es Ihnen? Kommen Sie mit der Renovierung gut voran?“
„Hallo, Thomas“, sagte Erik. „Hallo, Benedikt.“ Erik trat auf sie zu und schüttelte beiden die Hand. „Wie geht es Ihrer Frau?“, fragte er Benedikt. „Ich hoffe, sie hat sich gut erholt.“
„Sie wird schon bald wieder ganz die Alte sein, verlassen Sie sich drauf. Sie ist ein zähes Mädchen, meine Agathe.“
„Das freut mich zu hören.“
Benedikt erhob sich und schlug ihm auf die Schulter. „Ich muss wieder auf den Hof zurück, es gibt noch eine Menge zu tun. Schauen Sie bei Gelegenheit mal vorbei. Wir könnten einen kleinen Obstler trinken, der hat Ihnen doch so geschmeckt. Thomas, wir sehen uns.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und marschierte davon. Bald waren seine Schritte verklungen.
„Setzen Sie sich, Erik.“ Der Pfarrer deutete auf den leeren Sessel gegenüber. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ich komme wegen der Bücher“, sagte Erik.
„Die Bücher, ja.“ Der Pfarrer klang, als wäre er in Gedanken weit weg.
„Ich habe die Bücher entsorgt“, sagte Erik schließlich. „Sie waren in einem erbärmlichen Zustand.“
„Entsorgt, so. Geben Sie einfach Ihre Bestellung bei Kathi auf. Die Gemeinde wird dafür aufkommen. Seien Sie so gut und legen Sie ein paar Scheite nach, Erik. Ich bin etwas ausgekühlt.“
Erik tat, wie ihm geheißen, obwohl die Temperatur im Raum ihm schon jetzt den Schweiß auf die Stirn trieb. Die Flammen griffen gierig nach
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