Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
in seinem Kopf. „Und nein, ich sehne mich nicht nach ihm. Aber er ist mir noch immer ... sehr gegenwärtig. Mehr als je zuvor, seit ich hier bin.“
Der Pfarrer begann , seine Pfeife zu stopfen. „Sie sind noch nicht sehr lange bei uns, Erik. Dennoch möchten wir alle, dass Sie sich gut in unsere Gemeinschaft einfügen. Wir brauchen Sie hier. Die Kinder brauchen einen guten Lehrer. Aber ich habe das Gefühl, dass Sie furchtbar überanstrengt sind. Nein, sagen Sie nichts.“ Er hob eine Hand. Dann entzündete er ein Streichholz, hielt es an die Pfeife und paffte. „Ich bin alt genug, und ich habe mehr als genug erlebt, um das beurteilen zu können. Und ich will offen mit Ihnen sein, weil ich denke, dass wir uns gegenseitig nichts vormachen müssen.“ Der Pfarrer sog an der Pfeife, und Rauchwolken kräuselten sich zur Decke. „Man hat Sie strafversetzt, in ein kleines Dorf im Nirgendwo. Sie kennen hier niemanden, niemand kennt Sie. Sie fragen sich: Wer ist mir wohl gesonnen, wer will mir übel? Und ich sage Ihnen: Im Laufe Ihres Lebens treffen Sie auf zweierlei Menschen. Die einen sind auf Ihrer Seite, die anderen sind gegen Sie. Das Problem ist nur, dass man sie sehr leicht miteinander verwechselt.“ Der Pfarrer lächelte. „Aber glauben Sie mir, wenn ich Ihnen versichere: Wir alle hier wollen nur Ihr Bestes. Wir sind auf Ihrer Seite. Mehr noch: Wir wollen Sie auf unserer Seite. Verstehen Sie das?“ Der Pfarrer griff nach seinem Glas und trank es aus. „Ich möchte diese Uhr reparieren, aber ich weiß nicht genau, wo ich beginnen soll.“ Er lächelte. „Genauso geht es mir mit Ihnen, Erik. Wie kann ich Ihnen helfen? Ich sehe, dass Sie angespannt und nervlich am Ende sind, verzeihen Sie mir meine Offenheit. Ich kann Ihnen nur raten: Lassen Sie die Vergangenheit ruhen! Lassen Sie München hinter sich. Vergessen Sie Ihre Schule, Sankt Augustin. Freuen Sie sich darauf, dass Ihre Frau bald bei Ihnen sein wird. Und auf das Leben, das in ihr heranwächst! Vergessen Sie die Arbeit am Klassenraum. Xaver wird das für Sie erledigen. Gönnen Sie Ihrem Körper und Ihrem Geist Ruhe, nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen.“ Der Pfarrer starrte in den Kamin, wo das Feuer die Scheite gierig verschlang. „Und lassen Sie Ihren Vater in Gottes Namen ruhen.“
Erik holte tief Luft. „ Ich wünschte, es wäre so einfach. Aber das ist es nicht.“ Er vergrub den Kopf in den Händen. Dann brachen die Worte aus ihm heraus. „Ich muss auf den Gletscher.“
Der Pfarrer sah ihn düster an. Für eine Weile sagte er nichts. Aber nach und nach hellte sich seine Miene auf, bis schließlich das Lächeln auf sein Gesicht zurückkehrte. „Sie sind hartnäckig, Erik. Und das gefällt mir an Ihnen.“ Die Augen des Pfarrers leuchteten im Schein der Glut. „Also gut“, sagte er und breitete die Arme aus. „Gehen Sie auf den Gletscher! Suchen Sie nach dem Flugzeug! Überzeugen Sie sich selbst davon, dass dort oben nichts für Sie ist. Sie werden nichts finden als die Herrlichkeit von Gottes Schöpfung.“
Erik blickte auf. „ Ich will auf den Gletscher, Thomas. Ich muss.“
„Dann tun Sie es! Gehen Sie rauf! Es ist herrlich dort oben. Ich habe viele Länder bereist, aber einen Ausblick, der dem von der Kante des Grimboldgletschers auch nur nahe kommt, habe ich nirgendwo gefunden.“ Er wirkte plötzlich entrückt, sein Blick in weite Ferne gerichtet. „Wie sagte einst ein großer Dichter? ‚Kein Federkiel, kein Pinsel und kein Lied wird jemals fähig sein zu zeigen, was die Natur hier Großes bietet!’ Gehen Sie.“ Seine Augen kehrten aus der Ferne zurück, richteten sich auf Erik. „Zumindest werden Sie dort oben auf andere Gedanken kommen. Auch wenn Sie nichts finden werden, das kann ich Ihnen versprechen. Wann wollen Sie aufbrechen?“
Erik rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Etwas am Lächeln des Pfarrers behagte ihm nicht. „Wie wäre es mit morgen?“, fragte er leise.
„Morgen schon! In Ordnung. Aber alleine werde ich Sie nicht dort hoch lassen. Der Gletscher ist gefährlich, ich denke, darüber sind Sie sich im Klaren. Es kommt nicht in Frage, dass Sie ohne Führer losziehen. Ich werde noch heute mit Xaver Wrede sprechen. Gehen Sie morgen zu ihm, er wird Sie begleiten. Xaver kennt den Gletscher wie kein anderer.“
Erik nickte zögernd. „Gut. Ich werde zu ihm gehen.“
„Tun Sie das.“ Der Pfarrer lehnte sich im Sessel zurück, sah ins Feuer und paffte zufrieden an seiner Pfeife. „Und
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