Der Teufel in uns - Mord in Bonn
um. Halblange Haare. Ohrringe. Hatte er etwa Lippenstift auf dem Mund?!
„Denken Sie, ich bin Ihr Dienstmädchen? Oder Ihre Mutter, die hinter Ihnen herräumt?“ fuhr Gottfried sein Gegenüber an, das anscheinend immer noch nicht begriff, was los war. Gottfried wies auf den Boden. „Wären Sie so freundlich, die Kippe da aufzuheben? Und sagen Sie jetzt nicht, die ist nicht von Ihnen!“ Er bohrte seinen Blick in die blauen Augen des Mannes und ließ nicht locker.
Gehörte der Knabe etwa zu den Arschlöchern, die von ihren Eltern keine ordentlich Erziehung mitbekommen hatten und nun glaubten, sie müssten sich an keinerlei Regeln halten? Die würde Gottfried ihm schon beibringen!
Aber nein, vielleicht gehörte das Bürschchen doch nicht dazu. Es schaute weg, dann kurz zu der Gruppe der Raucher, die garantiert interessiert herüberstarrte, dann war der Typ mit wenigen Schritten bei der Kippe, hob sie auf und nahm sie mit zur Eingangstür, wo er sie demonstrativ in einen Abfalleimer fallen ließ.
Na also, warum nicht gleich so? Gottfried nickte ihm grimmig zu und drehte sich sofort zu der rauchenden Gruppe um – die machten doch bestimmt Unsinn, sobald er ihnen den Rücken zukehrte! Aber die Leute sahen längst lachend und plaudernd woandershin und benahmen sich anständig. Oh ja, sie wussten, wer hier für Ordnung und Sauberkeit zuständig war!
Eine Weile noch starrte er sie an, und ein moralisch sehr bedenkliches Gefühl schlich durch sein Herz: Neid. Tiefer, hässlicher Neid. Neid auf diese jungen, ehrgeizigen Menschen, die ihre Zukunft noch vor sich hatten. Sie hatten etwas, das er nie wirklich gehabt hatte: eine Chance.
Aber eigentlich, wenn er ehrlich war, machte er seine Arbeit gern. Ganz abgesehen davon, dass Neid eine Todsünde war – hatte er hier nicht ein angemessenes Betätigungsfeld für die Fähigkeiten gefunden, die Gott ihm geschenkt hatte? Nämlich Dinge zu reparieren und für Sauberkeit und Ordnung zu sorgen? Das konnte er, und das machte ihm Freude!
Dieser Gedanke erstickte den Neid wie Löschschaum einen Schwelbrand. Neid war nicht nur eine Sünde, sondern auch durch und durch negativ (ein Stolperstein des Teufels!) und Neid machte, was anscheinend vielen Menschen nicht bewusst war, nur unglücklich und sonst gar nichts. Das war ein Spruch von Jonas, und wo er Recht hatte, hatte er Recht.
Gottfried beendete seine Arbeit hinter den Mülltonnen und begab sich auf den Weg in den Keller, wo er nach einem Abfluss sehen musste.
Unterwegs merkte er, dass noch etwas in seinem Inneren nagte...irgendetwas, das mit Jonas zu tun hatte... Ach ja, es passte ihm gar nicht, dass sich Jonas in Bonn niederzulassen gedachte. Warum? Eifersucht. Schon wieder ein negatives Gefühl! Wo blieb sein Gottvertrauen?! Wenn Tina die Richtige für ihn war, würden sie zueinander finden! Auch wenn Tina vielleicht einen kleinen Umweg über Jonas machte.
Auf dem Flur im Erdgeschoss kam ihm eine der neuen Lehrkräfte entgegen. Eine schwabbelige, hochnäsige Person, die gerne einfach durch ihn hindurchsah. Die Welt war ungerecht, und manche Menschen taten mit voller Absicht alles, um die Ungerechtigkeit aufrecht zu erhalten. Diese Frau schien dazuzugehören. Musste also er, der Hausmeister, ihr, der Lehrerin, Manieren beibringen? Schien so.
Er stellte sich ihr in den Weg, stemmte die Hände in die Hüften und starrte ihr in die Augen. „Guten Tag, Frau Kurth-Westphal. Wie geht es Ihnen?“
Überrascht blieb die Frau stehen. „Danke, gut. Wieso?“
„Ich frage mich, warum Sie mich nie grüßen? Weil ich einen grauen Kittel trage und daher so schlecht zu sehen bin?“
Ihr weiches Gesicht rötete sich. Schnell dachte sie sich eine Ausrede aus. „Ich bin manchmal so in Gedanken, dass ich nichts um mich herum bemerke. Entschuldigen Sie mich, ich muss weiter.“
Immer noch Arroganz in der Stimme. Das war sehr, sehr negativ.
„Mein Name ist übrigens Gottfried Liebetrau“, informierte er sie, während sie an ihm vorbeihuschte. Er war sicher, dass sie ihn von nun an bemerken würde.
Zufrieden mit sich schloss er die Kellertür auf und dachte an den morgigen Abend. Er freute sich auf das Treffen. Bisher war er ohne Frau und ohne Kind durchs Leben gegangen, jetzt hatte er so etwas wie Freunde, eine Angebetete, ein Ziel. Das Ziel war, seine heimtückische Krankheit zu überwinden, damit er ein neues, glücklicheres Leben beginnen konnte.
*
Bonn-Beuel - 15.45 Uhr
Als Tina das Büro verließ, schwebte sie
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