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Der Teufel in uns - Mord in Bonn

Titel: Der Teufel in uns - Mord in Bonn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathias Lempertz GmbH
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nein, ein ,Jonas Kirch‘ war nicht zu finden, wohl aber eine ,Gerlinde Tischler‘. Zugegeben, es bestand die geringe Wahrscheinlichkeit, dass Jonas jemand ganz anderen im Haus besuchte, aber so viel Zufall auf einen Haufen schloss Tina gleich wieder aus.
    Sie stieg in den Wagen, lehnte sich zurück und verbot sich, sich irgendetwas auszumalen. Nur nichts Negatives denken! Das brachte nichts!
    Stattdessen holte sie die kleinen Kärtchen mit Jonas’ Regeln aus ihrer Handtasche. Ihre Zahl war inzwischen auf 35 Kärtchen angewachsen. Manches auf ihnen leuchtete ihr nicht ein, manches wiederholte sich, aber Jonas war der Überzeugung, einiges könne auch gar nicht oft genug gesagt werden.
    Trotzdem hatte sie immer ein unterschwelliges, schlechtes Gefühl gehabt, wenn es um die Regeln ging. Und es hatte lange gedauert, bis sie begriff, warum: Auch ihre Mutter hatte damals Regeln aufgestellt, die keiner mehr nachvollziehen konnte, und wohin das geführt hatte, darüber mochte Tina jetzt nicht nachdenken.
    Aber eine der mütterlichen Regeln hatte Tina noch deutlich im Ohr, vermutlich, weil sie sie 500 Mal am Tag gehört hatte: Wir sind böse, Tina, sehr böse, und deshalb müssen wir ganz still und leise sein, damit uns der Teufel nicht hört und uns holt!
    Und so war Tina stets ganz still und leise durchs Leben gegangen, durch ihre Kindheit, durch ihre Pubertät, bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr, als sie beschloss, ein bisschen lauter zu werden.
    Vielleicht sollte sie auch Jonas gegenüber endlich selbstbewusster auftreten. Vielleicht mochte er das. Tina träumte ein wenig vor sich hin und stellte sich vor, wie sie künftig (auf positive Weise natürlich!) selbstbewusster mit Jonas umging, und hätte beinah verpasst, wie der Mann nach ungefähr 30 Minuten das Haus wieder verließ, sich in seinen Wagen setzte und weiter Richtung Süden fuhr. Tina folgte ihm.
    Diesmal ging die Reise über die Südbrücke nach Oberkassel, wo er erneut ein Restaurant am Rhein ansteuerte. Auf dem Parkplatz hielt sie Abstand und schlich zu Fuß hinter Jonas her bis zur Terrasse, die an diesem milden Frühlingsabend noch gut besucht war.
    Tina versteckte sich hinter einer riesigen Kübelpflanze und beobachtete, wie Jonas auf einen Tisch zuging, an dem eine attraktive Blondine mit Brille saß. Ein neues Gemeindemitglied, das bisher vielleicht dreimal an den Versammlungen teilgenommen hatte. Gerade erhob sich die Frau. Umarmung, Küsschen auf die Wangen.
    Tina war nicht erfreut. Was sollte das?
    Die beiden saßen an einem Tisch und unterhielten sich. Tina hatte keine Lust, sich das anzusehen. Verstimmt und mit leichtem Schmerz im Magen setzte sie sich wieder in ihr Auto und zerbrach sich den Kopf. Hatten diese Verabredungen etwas damit zu tun, dass sich Jonas nach langen Reisen durch Deutschland in Bonn niederlassen wollte? Suchte er jetzt einfach die passende Frau dazu?
    Ja, vielleicht machte er ein Ehefrauen-Casting! Wie lustig! Wie entwürdigend!
    Tina wusste nicht, ob sie über diese Theorie lachen oder ob sie sich bei der Vorstellung ekeln sollte. Sie lachte. Bitter. Irgendwie konnte sie ihn ja verstehen: Inzwischen warfen sich Jonas mindestens sieben Damen an den Hals wie Teenager ihrem Lieblingsschauspieler. Falls er eine Ehefrau suchte, musste er sich eingehend über die diversen Qualifikationen der Bewerberinnen informieren, bevor er sich entschied.
    Tina rieb ein paar Sekunden an ihrem Ohrläppchen, bevor es ihr auffiel. Das musste sie sich dringend abgewöhnen! Finger runter, Kopf angelehnt, Augen zu. Konzentration auf das Wesentliche: was konnte sie tun, damit sich Jonas für sie entschied? Wie wurde sie zur Besten, Schönsten und einzig Richtigen?
    Während sie auf Jonas’ Rückkehr zu seinem Auto wartete, mobilisierte sie all ihre Phantasie und Kreativität, um einen Plan auszutüfteln, wie und womit sie am ehesten Jonas’ Herz für sich gewinnen konnte. Etwas wirklich Brillantes war ihr noch nicht eingefallen, als sie ihn zwischen den parkenden Autos hindurchschreiten sah.
    Tina duckte sich. Anscheinend hatte er sie wieder nicht bemerkt. Hoffentlich fuhr der Mann jetzt endlich nach Hause. Sie hatte Hunger und sie musste zur Toilette. Andererseits wollte sie unbedingt wissen, wo er wohnte.
    Als er in seinem unscheinbaren Kleinwagen den Parkplatz verlassen hatte, folgte sie ihm. Zurück über die Südbrücke, nach Plittersdorf. In eine kurze Sackgasse. Tina fuhr daran vorbei, wartete fünf Minuten und spazierte zu Fuß zurück

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