Der Teufel in uns - Mord in Bonn
dem Weg zum Frauenarzt. Annika hatte darauf bestanden, die fertig gepackte Tasche fürs Krankenhaus schon mitzunehmen, für alle Fälle.
Die Arzthelferin in der Praxis wirkte ein wenig ungnädig und ließ sie nicht sofort zum Doktor, sondern meinte: „Setzen Sie sich bitte noch einen Moment ins Wartezimmer.“
Sascha, in ärztlicher Hinsicht unerfahren, nahm diese Anweisung wörtlich, und regte sich innerlich während der nächsten eineinhalb Stunden mächtig auf. Dann waren sie an der Reihe.
Der Arzt schien nicht weiter besorgt, sagte: „Ich schau mal nach, ob mit dem Fruchtwasser alles in Ordnung ist“, und zückte ein nicht eben dünnes, metallenes Sehrohr.
Sascha konnte das nicht mitansehen, hörte Annika einmal quieken und erfuhr vom Doktor, dass alles bestens sei. Also fuhren sie wieder nach Hause. Unterwegs bekam Annika wieder eine Wehe, aber ins Krankenhaus wollte sie dann doch nicht. Sie wollte etwas anderes.
„Ich möchte, dass du dir wenigstens bis Montag frei nimmst und für mich da bist“, verlangte sie von Sascha. Als er nicht sofort antwortete, wurde ihre Stimme weinerlich: „Ich muss diesen Bauch hier mit mir rumschleppen und die ganzen Schmerzen ertragen, und du versuchst dich wieder mal vor allem zu drücken!“
Fiel das nun unter emotionale Erpressung oder hatte sie Recht? Sascha schaute ihr in die wunderschönen, schwarzen Augen, in denen Tränen glitzerten, dachte an seinen Sohn und entschied sich für die Beschützerrolle.
„Ok, ich sag Andreas Bescheid, und anschließend nimmst du ein schönes, heißes, langes Bad. Vielleicht wird’s Gabriel zu warm, und er kommt freiwillig raus.“
*
Bonn - 12.05 Uhr
Kurz nach Mittag verließ Tina das Büro. Sie hatte behauptet, plötzlich von geradezu migräneartigen Kopfschmerzen befallen worden zu sein und dringend Ruhe zu benötigen. Die nötige Ruhe, zumindest äußerlich, fand sie dann in ihrem Auto in einer Straße in Plittersdorf vor dem heruntergekommenen Hotel, in dem sich Jonas Kirch einquartiert hatte.
Da Tina keine Ahnung hatte, ob und wann sich Jonas blicken lassen würde, hatte sie vorsichtshalber etwas zu essen, zu trinken und zu lesen dabei. Jonas war im Hotel, zumindest stand sein Wagen vor der Tür.
Um Viertel vor vier tauchte er endlich auf, im hellen Anzug und silberner Brille. Das Kreuz auf seinem Hemd blitzte einmal kurz in der Sonne auf. Tina bekam heftiges Herzklopfen, das noch stärker wurde, als sie an seine gütigen Augen dachte, an seine sanfte Stimme, an sein liebevolles Lächeln. Statt Jonas hinterher zu fahren, würde sie viel lieber neben ihm sitzen, ein Glas Wein mit ihm trinken, tiefsinnige Gespräche mit ihm führen, seiner Stimme lauschen, sich in seinem Blick sonnen. Aber jetzt war er in seinem Auto verschwunden und kurvte davon.
Zuerst nach Godesberg, wo er sich in einem Straßencafé mit einer eher unattraktiven Frau aus der Gemeinde traf. Wonach suchte dieser Mann? Nach welcher Art Frau?
Tina fing an zu rätseln und rätselte während der Fahrt in die Innenstadt weiter, wo sich Jonas vor einer Eisdiele auf dem Markt mit der nächsten Frau verabredet hatte: eine Witwe um die Siebzig, die ungeahnte innere Werte besitzen musste, wenn sie als Ehefrau für ihn in Frage kommen sollte!
Eine weitere Kandidatin schien in Poppelsdorf zu wohnen, wo sich Jonas fast eine Stunde lang in einem nobel aussehenden Haus aufhielt. Und so ging es weiter nach Tannenbusch, nach Siegburg, nach Oberdollendorf.
Jonas graste Bonn und Umgebung ab, und Tina begann sich zu fragen, ob er wirklich nach einer passenden Ehefrau für sich suchte, oder nach etwas ganz anderem.
*
Bonn, Polizeipräsidium - 17.30 Uhr
Benjamin wartete in seinem uralten, orangefarbenen Auto auf dem Parkplatz neben dem Polizeipräsidium auf Jakob, der bei der Polizei eine Aussage machen sollte.
Benjamin wusste nicht, um was es ging, aber das würde er Jakob schon noch aus der Nase ziehen. Hoffentlich hatte der Blödmann nicht wieder Mist gebaut! Drogen genommen oder irgendwas geklaut oder irgendjemanden verprügelt!
Von nun an würde er noch besser auf Jakob aufpassen! Das schwor er sich! Gemeinsam hatten sie es geschafft, das beschissene Heim zu überleben, von den Drogen loszukommen und regelmäßig zu Jonas´ Gemeindeversammlungen zu gehen. Jetzt würde jeder für sich den Grundstein für ein neues, gläubiges und glückliches Leben legen! Und jeder Versuchung widerstehen!
Und schon kam Jakob aus einer Seitentür, dürr, ganz in Schwarz
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