Der Teufel in uns - Mord in Bonn
wunderschönen, azurblauen Augen, die vor Begeisterung und Leidenschaft nur so leuchten konnten. Zum Beispiel, wenn Jonas eine Rede hielt. „Danke, mir geht’s gut, und dir?“
„Danke, ebenfalls gut. Ich frage nur, weil ich kürzlich bei Ramona war und ihre Balkontür repariert hab, und da sagte sie mir, du hättest Probleme mit dem Rollladen in der Küche. Ich komme gern mal vorbei und bringe das wieder in Ordnung.“
Tina sah ihn einen Moment lang an, als hätte er ihr vorgeschlagen, einen Pornofilm zusammen zu drehen.
Gottfried rang sich ein harmloses Lächeln ab. „Wir sind doch auch hier, um einander zu helfen, oder nicht?“
Tinas Miene entspannte sich. Sie zupfte eine dunkelbraune, lockige, lange Haarsträhne an der linken Halsseite zurecht, wahrscheinlich, um die Narben ein wenig mehr zu verbergen. Gottfried bemühte sich, nicht hinzusehen, und brachte noch einen Trumpf ins Spiel. „Bei der Gelegenheit könnten wir auch, also während ich den Rollladen repariere, über Jonas’ Regeln diskutieren. Ein paar von denen sind im Alltag echt schwer umzusetzen.“
So, jetzt wusste sie erstens, dass er nicht dumm war, zweitens, dass er gerne diskutierte, und vielleicht drittens sogar, dass er sie nicht sofort ins Bett zerren wollte – falls sie davor Angst hatte.
Tina wirkte abgelenkt. „Ja, danke, ich melde mich, wenn ich Zeit hab“, ließ sie ihn wissen und schaute zu Jonas hinüber, der Hände schüttelte und halbherzig versuchte, einige besonders fanatische Anhänger davon abzuhalten, ehrfürchtig das silberne Kreuz auf seiner Brust zu berühren.
Na, das war ja nicht ganz so gelaufen, wie Gottfried sich das vorgestellt hatte. Aber immerhin, ein Anfang war gemacht. Sie hatte ihn wahrgenommen. Irgendwie.
Kapitel 5
Bonn-Oberkassel - Donnerstag, 8. Mai, 7.40 Uhr
Gerade, als Andreas die Wohnung verlassen wollte, rief ihn seine Mutter an.
„Morgen, Andy, gut geschlafen?“
„Danke. Und du?“ Andreas ahnte, was kommen würde.
„Geht so. Ich konnte schlecht einschlafen, weil ich dauernd an Oma Elli denken musste. Hast du heute nach der Arbeit ein bisschen Zeit?“
„Mutter, bitte! Ich hab zwei Morde am Hals! Können wir das nicht verschieben? Was immer du auch vorhast?“
„Es geht um den Termin in Hennef, das Seniorenheim. Klar, den kann ich absagen. Es ist ja schließlich deine Oma.“
Nein, das zog heute nicht. „Ja, sag ab oder fahr allein mit dem Taxi hin.“
„Weißt du, was das kostet?!“
„Ich schätze mal, weniger als ein Friseurbesuch.“
Seine Mutter brauchte geschlagene zehn Sekunden für eine Antwort. „Aber vom Friseurbesuch hab ich wenigstens was!“
„Wenn du meinst. Hör mal, ich muss jetzt los. Lass uns doch heute Abend über einen anderen Termin reden, ja?“
Zehn Minuten später betrat Andreas das Polizeipräsidium durch den Haupteingang, begrüßte ein paar Leute und stieg zu Fuß in den ersten Stock. Im Büro saß schon Sascha, der werdende Vater. Er las sich anscheinend in die Aussagen der religiösen Hartz IV-Empfänger ein, die Andreas befragt hatte.
Andreas hatte sich umgekehrt bereits Berichte der von Sascha vernommenen, potentiell Verdächtigen durchgelesen.
„Morgen“, grüßte Andreas. „Wie war die Nacht?“
„Unruhig“, antwortete Sascha und gähnte auch gleich demonstrativ. „Annika will zurzeit nur im gemeinsamen Schlafzimmer nächtigen, damit ich sofort zur Stelle bin, wenn es losgeht. Und heute Nacht ist sie geschätzte 180 Mal aufs Klo gegangen, und ich bin jedes einzelne Mal wach geworden.“
„Beschwer dich nicht, du hast es so gewollt. Ist dir schon was zu unseren neun Ritualmord- Verdächtigen eingefallen?“
„Einer von denen klingt ziemlich durchgeknallt.“ Sascha kramte in den Blättern, die vor ihm lagen und fischte eins heraus. „Jakob Valoschek, mit dem hast du geredet... Hier, der erzählt, dass jeder den Teufel in sich hat und dass man ihn bekämpfen muss.“
„Der ist mir auch aufgefallen. In seinem Wohnzimmer hingen lauter Bilder mit Spiralen an den Wänden.“ Andreas setzte sich an seinen Schreibtisch. „Ich hab mich gefragt, ob der Mord nicht was von einer Teufelsaustreibung hat, von wegen eingebranntes Kreuz und Ertränken in Weihwasser.“
„Kann sein. Oder es war eine Art Bestrafung, weil Baum diesen Valoschek immer wieder, steht hier, wie den letzten Abschaum behandelt hat, und sich unser Jakob vielleicht berufen fühlte, die Menschheit von so einem ,Teufel‘ zu befreien.“ Sascha sah sich die
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