Der Teufel in uns - Mord in Bonn
war ihm ein neuer Gedanke gekommen: Jemand hatte ihn heimlich unter Drogen gesetzt, damit er die beiden Männer tötete, dann eingesperrt wurde und von da an unter Polizeikontrolle war. Ja, er sollte für den Rest seines Lebens eingesperrt werden, damit man ihn rund um die Uhr unter Beobachtung halten konnte!
Hatte er nicht gestern in den Augen des Kommissars, der ihn verhört hatte, so ein merkwürdiges Funkeln gesehen? Das Feuer des Teufels? Dieser Mann war kein Mensch, sondern eine Kreatur aus der Hölle!
Die Angst kroch höher, an seinem Rückgrat entlang, Wirbel für Wirbel, kroch noch höher, bis ins Gehirn hinein...und dort verschlang sie einen Gedanken nach dem anderen, wurde immer dicker und fetter, ließ ihn plötzlich aufspringen und mit beiden Fäusten auf die Tür einhämmern und schreien: „Lasst mich raus hier! Ich muss hier raus! Um Gotteswillen! Ich muss hier raus!“
*
Bonn-Oberkassel - 7.30 Uhr
Andreas saß in seiner winzigen Küche, trank Kaffee, aß einen Salamitoast und las in einem Fachbuch über Neurologie und Psychiatrie, das seit Jahren in einem Regal verstaubte. Er wusste kaum noch, aus welchem Grund er es sich angeschafft hatte. Es enthielt eine Übersicht über Krankheiten des Gehirns und der Persönlichkeit, und Andreas war überrascht, beeindruckt und auch beunruhigt, was es da so alles gab.
Während des Frühstücks gelang es ihm noch nicht, die Auffälligkeiten eines Holger Zorns einer bestimmten psychiatrisch-neurologischen Erkrankung zuzuordnen, zumal er überzeugt davon war, dass es auf diesem Fachgebiet jede Menge unklarer Grenzen gab. Von individuellen Interpretationen der Psychiater ganz zu schweigen.
Andreas legte das Buch beiseite und schaute aus dem Fenster: schönstes Frühsommerwetter. Ein Blick auf das Außenthermometer: 15 °C. Könnte heiß werden heute. Er zog trotzdem eine Jacke über, packte ein paar notwendige Dinge wie Taschentücher, Lesebrille, Handy und Ausweis in die Taschen und machte sich zu Fuß auf zum Präsidium.
Im Büro setzte er zunächst frischen Kaffee auf und forschte nach, wer an diesem Samstag außer ihm noch hier anzutreffen war. Manfred nicht, Petra nicht. Niemand. Und Ulli würde sicher erst im Laufe des Vormittags eintrudeln.
Andreas nahm sich forensische Berichte, Notizen, Aussagen und Fotos vor und versuchte sich an einer Art übersichtlicher Zusammenfassung.
Zunächst die beiden Raubmorde an Hedwig Bach und Liselotte Degen. Erstere war erschlagen worden, die zweite war gewürgt worden und dabei einem Herzinfarkt erlegen. In beiden Fällen verschwanden größere Geldsummen. Andreas ging vorerst davon aus, dass die Frau, die vom Nachbarn bei Liselotte Degen auf der Terrasse gesehen worden war, auch Hedwig Bach beraubt und umgebracht hatte.
Was ihn wunderte, war die Brutalität der Täterin, schließlich hätte sie die beiden älteren, gebrechlichen Damen auch außer Gefecht setzen können, ohne sie gleich umzubringen... War es dieser Frau wirklich nur um Geld gegangen, oder hatte sie noch ein anderes Motiv?
Jedenfalls war in ganz NRW keine Raubmörderin mittleren Alters bekannt, und daher konnten auch die Fingerabdrücke, die man auf der Armlehne eines Gartenstuhls und am Griff der Terrassentür gefunden hatte, nicht zugeordnet werden. Zumindest schieden dadurch die Verwandten der Opfer vorerst aus.
Die Überwachungsaufnahmen der beiden Banken gaben ebenfalls nicht wirklich etwas her; außer, dass in einem Fall eine mittelgroße, schwarzhaarige Frau im beige Trenchcoat und roter Brille die Bankgeschäfte der älteren Dame beobachtet hatte – wobei sie, als sei sie erkältet, ständig mit einem Taschentuch an ihrer Nase herumtupfte und das halbe Gesicht verdeckte. In der zweiten Bank war sie nicht zu entdecken, vielleicht hatte sie sich dort eine andere Verkleidung zugelegt.
Das einzige, das man im Moment tun konnte, war, eine Warnung vor dieser Frau in den Medien herauszugeben.
Und jetzt zu den von der Presse so getauften ,Ritual-Morden‘. Wen hatte er denn da als Täter zur Auswahl? Jakob Valoschek und Benjamin Fiedler, entweder beide zusammen oder einer allein. Dann natürlich Jonas Kirch, aber möglicherweise gab es noch mehr Verdächtige in seiner Gemeinde. Außerdem Holger Zorn, dem der Psychiater gestern in einer ersten Schnelldiagnose vermutlich vom Alkohol erzeugten Verfolgungswahn bescheinigt hatte.
Vielleicht sollte man auch den einen oder anderen Sozialhilfeempfänger, für den Mordopfer Baum zuständig gewesen
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