Der Teufel in uns - Mord in Bonn
kam ihm bereits entgegen. Sie trug einen langen, bunten Rock und eine schwarze Bluse mit halblangen Ärmeln, wegen der Narben wahrscheinlich.
Es folgte die obligatorische Umarmung, und er hielt Tina zwei, drei Sekunden länger fest als üblich. Hastig machte sie sich los. Ganz sicher hatte sie Probleme mit ihrem Körper, wegen der Narben. Gottfried konnte das verstehen.
Auf der Terrasse fanden sie einen freien Tisch unter einem riesigen, blauen Schirm. Die Sonne schien, es wehte ein warmer Wind, und die Aussicht auf den Rhein war wunderbar. Gottfried fühlte sich gut.
„Was hast du den ganzen Tag so gemacht?“, fragte Tina, während sie die Speisekarte studierten.
„Ich habe Hausfrau gespielt. Du weißt, ich bin ein ordentlicher Mensch und halte meine Wohnung tiptop sauber.“
Tina lachte. „Das ist selten bei Männern.“
„Das ist ein Vorurteil, liebe Kristina.“
„Das glaube ich nicht. Was willst du essen?“
„Ich nehme ein Steak.“
„Ja, danach ist mir jetzt auch.“
Gottfried bestellte und war entschlossen, keine Zeit zu verlieren. Als die Kellnerin gegangen war, fragte er geradeheraus: „Weißt du, worüber ich mich schon länger wundere? Dass du trotz der schrecklichen Erlebnisse in deiner Kindheit noch an einen Gott glaubst. Wie schaffst du das?“
Tina schaute einem Ausflugsdampfer hinterher und überlegte. „Du willst eine Erklärung dafür?“ Ihr Blick wanderte in sein Gesicht zurück. Hatte sie sich etwa extra für ihn geschminkt? „Ich habe eine Erklärung, aber es ist eine brutale und rachsüchtige Erklärung: Nur wenn ich an einen Gott glaube, kann ich auch an eine Hölle glauben, und in der will ich alle leiden sehen, die mir je wehgetan haben! Ich kann einfach noch nicht anders empfinden.“
Das war wenigstens ehrlich. Gottfried wollte auch ehrlich sein. So weit es ging. „Ich sehe das genauso, aber Jonas würde das sicher als sehr negativ bezeichnen.“ Hätte er Jonas erwähnen sollen? Wie würde sie reagieren?
„Das ist es ja auch. Aber wir sind doch in der Gemeinde, um diese Einstellung zu ändern. Oder willst du das gar nicht?“
Während sie mit einem Bierdeckel herumspielte, sah sie ihn herausfordernd an. Sollte er bei der Wahrheit bleiben?
„Ich bin nicht mit allem einverstanden, was Jonas sagt.“
„Ach was! Das haben inzwischen ja wohl alle gemerkt.“ Tina lächelte merkwürdig. „Dann verrate mir doch mal, warum du eigentlich in der Gruppe bist!“
Die Getränke wurden gebracht, was Gottfried ein bisschen Zeit verschaffte, um sich die Antwort gut zu überlegen. Schließlich hob er sein Bierglas, prostete Tina zu und meinte: „Ich bin in der Gemeinde, weil ich Leute kennenlernen wollte, die so denken wie ich. Und ich wollte mehr über mich und meine Schwächen und Stärken erfahren. Aber der Hauptgrund warst du, Kristina. Ich hab mich damals im Februar so unglaublich gefreut, dich wiederzusehen.“
Zum Ende hin hatte er seine Stimme ganz weich werden lassen und seinen Blick ganz sanft, woraufhin Tina rasch in eine andere Richtung schaute.
„Was für Schwächen hast du denn?“, fragte sie mit aggressivem Unterton. „Frauen anmachen?“
„Das mag ich an dir: Du sagst immer, was dir in den Sinn kommt und spielst nicht das liebe Mädchen.“ So, und jetzt noch ein paar Komplimente nachschieben, aber nicht irgendwelche billigen Allerweltssprüche, sondern speziell auf sie zugeschnittene Komplimente. Nicht zuletzt, um sie von ihrer unangenehmen Frage abzulenken. „Außerdem mag ich deine witzige, schlagfertige Art... Die hat mich von Anfang an schwer beeindruckt.“
„Noch was?“ Sie schaute ihm immer noch nicht in die Augen.
„Deine Kratzbürstigkeit kommt doch nur daher, dass du dich selbst nicht magst, und deshalb kannst du auch nicht verstehen, wenn dir jemand was Nettes sagt. Du fühlst dich dann auf den Arm genommen, nicht wahr?“
„Ich wusste gar nicht, dass ich heute meine erste Therapiesitzung bei dir habe“, wunderte sie sich mit spöttischem Lächeln.
„Ich will dir doch nur klar machen, dass Jonas nicht der einzige ist, der dich versteht und der Rücksicht auf dich nimmt!“ Gottfried machte eine kunstvolle Pause und holte das Letzte aus sich heraus. „Hat Jonas dein herrlich ansteckendes Lachen bemerkt, oder die perfekte Form deiner Lippen, oder das einzigartige Azurblau deiner Augen? Ich habe es bemerkt.“
Tina warf ihm einen misstrauischen Blick zu und trank ihr Bierglas leer. Plötzlich fing sein rechtes Auge an zu
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